Es gibt tatsächlich im deutschsprachigen Netz gar nicht mal so viele Musik-Magazine, die so alt sind, wie wir. Eines der Magazine, die im gleichen Jahr wie wir online gingen ist Whiskey-Soda.de und nach nun 20 Jahren im Netz sieht sich das Team durch eine Abmahnung existenziell bedroht. Und zwar geht es um ein Foto, welches das Magazin vor 12 Jahren ohne Erlaubnis verwendet haben soll. Das soll laut der abmahnenden Kanzlei zu einem Streitwert von 15.000 Euro führen – mit entsprechend hohen Kosten. Aus der Beschreibung des Sachverhalts geht leider nicht hervor, ob sich das Team des Magazins von einem Anwalt beraten liess oder ob sie selbst auf die Abmahnung geantwortet haben und es deswegen dazu kam, dass die Sache vor Gericht ging und Whiskey-Soda.de hier verloren hat.
In Anbetracht der aufgeführten Gegenargumente befürchte ich jedoch, dass das Team hier am falschen Ende gespart und auf einen eigenen Anwalt verzichtet hat:
Hier bleiben folgende Gegenargumente bestehen:
– Screenshots sind ohne großen PC-Kenntnisse manipulierbar
– Server sind mit etwas Kenntnis ohne weiteres zu hacken
– Whiskey-Soda benutzt seit Beginn vom Label zur Verfügung gestellte lizensierte Promobilder
– Das angeblich verwendete Bild steht in keinem Zusammenhang zum Inhalt des Textes („Ich schreibe Apfel, ich zeige Apfel“)
– Eine nach zwölf Jahren erst bemerkte Urheberrechtsverletzung ist eine ungewöhnlich lange ZeitspanneDiese Gegenargumente wurden von der Abmahnkanzlei als unrelevant eingestuft und der Sachverhalt vor Gericht gegeben.
Tatsächlich sind das nach meiner Erfahrung – und ja, ich bin kein Jurist, sondern interessiere mich nur schon eine ganze Weile für die Themen Abmahnungen, Urheberrechte und hier speziell bei Fotos usw. – alles eben wirklich juristisch absolut nicht relevante Argumente. Natürlich sind Screenshots leicht zu manipulieren, daher wird man in so einem Fall nicht nur einen Screenshot nehmen, sondern diesen ggf. vor Zeugen anfertigen und eben auch an Eides statt versichern, dass es sich um einen Screenshot ohne Manipulation handelt, damit er als Beweis anerkannt wird. Und das Gegenargument eines potentiell gehackten Servers ist nun auch nicht unbedingt geeignet, eine solche Abmahnung abzuwehren, schon gar nicht, wenn es so allgemein formuliert wird.
Und beim Thema Promobilder vom Label oder auch eine Agentur… Normalerweise sollte man davon ausgehen, dass solche Fotos entsprechend verwendet werden dürfen und ggf. Einschränkungen direkt mitgeteilt werden. Klar, aber man darf sich nicht darauf verlassen. Auch Fotos von uns wurden schon von Labels und Promo-Agenturen weiter verteilt, jedoch ohne auf die zwingende Urheberangabe bei Verwendung hinzuweisen, teilweise auch ohne bei uns nachzufragen. Wir haben bislang in solchen Fällen nicht direkt abgemahnt (und wir werden es im Falle der Kollegen auch nicht tun, obwohl ich eben ein solches Foto von uns dort entdeckt habe), aber grundsätzlich könnten wir das tun. Das abgemahnte Magazin könnte sich dann wiederum an das Label oder die Agentur wenden, die das Foto fälschlich bereit gestellt hat, aber für die Verwendung haftet erstmal jeder selbst gegenüber dem Urheber.
Ob ein Zusammenhang zwischen Text und Bild besteht, ist in diesem Fall auch nicht relevant, schließlich geht es ja um die Verwendung des Fotos und eben nicht um den Zusammenhang, in dem das Foto verwendet wurde. Und ob man die Urheberrechtsverletzung nach 12 Tagen oder 12 Jahren bemerkt, macht sich am Ende nur beim „Preis“ bemerkbar – je länger eine Nutzung stattgefunden hat, desto teurer wird es. Und das Netz ist nunmal sehr, sehr groß – da kann es schon mal etwas dauern, bis man die eigenen Fotos auf fremden Seiten findet.
Möglicherweise kann man dem Team von Whiskey-Soda.de hier etwas Naivität vorwerfen, zu viel Idealismus, der Glaube an das Gute im Menschen und die Hoffnung, dass doch alle in der Szene irgendwie nette Menschen wären, die am Ende alle musikbegeistert und nicht geldgeil wären. Ja, wer so etwas glaubt, der ist tatsächlich naiv, das ist leider so. Man darf natürlich immer das Beste hoffen, sollte aber mit dem Schlimmsten rechnen. Und wenn eine Abmahnung eintrudelt, dann sollte man sich immer, wirklich immer, zuerst von einem Anwalt beraten lassen. Egal, ob man selbst die Abmahnung für berechtig oder unberechtigt hält, im Zweifel kann ein Profi hier zumindest selbst bei einer berechtigten Abmahnung noch den Preis etwas drücken.
Aber unabhängig davon will das Team von Whiskey-Soda.de nicht aufgegeben und versucht 3.500 Euro per Spenden und Crowdfunding zusammen zu bekommen. Für das Crowdfunding sind noch 120 Tage Zeit, das anvisierte Ziel zu erreichen, wir drücken auf jeden Fall die Daumen, dass die Kollegen weitermachen können.
Artikelbild von geralt via pixabay.com, Lizenz: CC0 Public Domain