Thomas Lindner (Schandmaul)

Eigentlich sollte dieses Interview am 30. 4. 2002 beim Schandmaul-Konzert in Zella-Mehlis geführt werden, da dieses aber wegen dem Amoklauf in Erfurt ausfiel und Schandmaul zum Nachholtermin am 8. 5. schon anderweitig verplant waren, haben wir den Sänger und Gitarrist Thomas per eMail befragt.

Venue Music: Wann, wo und unter welchen Umständen ist die Band gegründet worden? Wie seid ihr auf den Namen „Schandmaul“ gekommen?

Thomas: Im Juli vor 4 Jahren haben Hubert, unser Bassist, und Anna, unsere Geige, ein paar Bekannte und Freunde zusammen getrommelt, um mal ein wenig Folkmusik zu spielen. Durch die ungewöhnliche Konstellation an eingebrachten Musikinstrumenten (Dudelsack, Tröten, Flöten, Geige, Drehleiher, Schlagzeug, E-Gitarre usw.) kam aber bald die Lust auf, auch eigene Songs zu komponieren.

Venue Music: Welche Art von Musik wolltet ihr machen?

Thomas: Die, die sich ergeben würde. Jeder sollte einfach das einbringen, was er am besten konnte: So wurde unser Stil geboren. Wir selber nennen das Mittelalter-Folkrock.

Venue Music: Vor der Gründung der Band ward ihr entweder in anderen Bands aktiv oder habt nur zum Spaß Musik gemacht. Wie seid ihr auf die Idee gekommen und was hat euch dazu bewegt, mal „etwas Anderes“ zu machen?

Thomas: Weil wir eben alle Spaß an der Musik haben und gerne neue Sachen ausprobieren.

Venue Music: Schandmaul war vorerst nur als „Ein-Konzert-Projekt“ geplant. Wie kam es nach eurem ersten Auftritt dazu, dass ihr weitermachen wolltet?

Thomas: Es gab eine so unglaubliche Resonanz, dass es überhaupt nie zur Debatte stand, ob wir weitermachen oder nicht. Wir hatten alle Blut geleckt.

Venue Music: 1 Jahr nach der Gründung der Band kam euer erstes Album „Wahre Helden“ auf den Markt. Wo habt ihr es aufgenommen?

Thomas: „Wahre Helden“ ist eine Eigenproduktion, die wir im Tonstudio von Hubsi aufgenommen haben. Glückliche Fügung, dass wir innerhalb der Band jemanden mit gutem Studio-Equipment und einer Menge Ahnung in Sachen Plattenproduktion hatten.

Venue Music: Die Songs spiegeln das Lebensgefühl und die Traditionen der Menschen im Mittelalter wieder. Woher holt ihr euch den Stoff?

Thomas: Die Lieder sind in erster Linie Märchen und Geschichten. Mal lustig, mal nachdenklich oder tragisch. Wir erheben keinen Anspruch auf historische Authensität. Unsere Texte entspringen unserer Phantasie oder einem Gefühl.

Venue Music: Euer 2. Album nennt sich „Von Spitzbuben und anderen Halunken“. Was kann man bei diesem Titel erwarten?

Thomas: Noch mehr lustige, nachdenkliche und tragische Geschichten und Märchen…

Venue Music: Bezieht ihr eure Texte auch auf aktuelle Themen?

Thomas: Eigentlich nicht. Wir machen Spaß-Musik und da haben sozialkritische Texte nichts zu suchen.

Venue Music: Ihr seid tourmäßig sehr aktiv. Findet ihr nebenbei überhaupt noch Zeit für andere Dinge (Studium, Job, Familie, Hobbys etc.)?

Thomas: Wenig. Man muss sich schon mächtig verbiegen, um alles unter einen Hut zu bringen.

Venue Music: Was macht ihr beruflich?

Thomas: Es gibt Studenten, Vermessungsingenieure, Landwirtschaftsarchitekten, Huforthopäden, Kaufleute und Angestellte…

Venue Music: Ihr habt auch zwei weibliche Kollegen in der Band, die für Frauen eigentlich recht ungewöhnliche Instrumente (Drehleier, Dudelsack) spielen. Seht ihr euch damit als eine Art „Vorreiter der Emanzipation“ in diesem Genre und seid ihr euch darüber bewusst, dass den Frauen im Mittelalter nicht die Möglichkeit der musischen Betätigung gegeben war?

Thomas: Dass Frauen im Mittelalter nicht den leichtesten Stand hatten, ist bekannt. Wie das konkret im musischen Bereich ausgesehen hat, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Sicher ist aber, dass keiner von uns die Kapelle als Vorreiter für irgendwas sieht – auch nicht für Emanzipation. Bei uns ist jeder dabei, weil er was drauf hat und wir uns gut verstehen. Die Zusammenstellung der Band ist zufällig und dass zwei Mädels dabei sind, die Ihre Instrumente genial zu spielen verstehen, ist eine feine Sache.

Venue Music: Thomas und Martin: Ihr seid neben Schandmaul auch noch bei der Band „Weto“ als Sänger und Gitarrist tätig. Findet ihr überhaupt Zeit für beide Bands? Haben sich die Stile der beiden doch recht unterschiedlichen Bands gegenseitig im Laufe der Zeit beeinflusst?

Thomas: Die Zeit bei Weto musste natürlich sehr zurückgeschraubt werden. Momentan beschränkt es sich auf ein paar wenige Konzerte pro Jahr und eine wöchentliche Spaßprobe. Die Stile der Bands haben außer der deutschen Sprache nicht viel gemeinsam – sind einfach zwei verschiedene Baustellen.

Venue Music: Habt ihr musikalische Vorbilder oder gibt es einen Musiker, den ihr besonders bewundert?

Thomas: Musikalische Vorbilder hat jeder in der Band – allerdings total unterschiedliche. Das beste wäre wohl bei Interesse die persönlichen Seiten von uns auf unserer Homepage anzuklicken und in Ruhe nachzulesen.

Venue Music: Ihr habt auf eurer Homepage einige Ausschnitte von Liedern aus euren beiden Alben zum Download freigegeben. Was haltet ihr von File-Sharing-Programmen? Meint ihr, sie helfen euch dabei, bekannter zu werden oder drücken sie bloß eure CD-Verkäufe?

Thomas: Schwieriges und leidiges Thema – könnte Bücher füllen. Ich glaube, einer kleinen Band bringt es was, da der Bekanntheitsgrad steigt. Ab einer gewissen Popularität tut’s dem Geldbeutel nur noch weh (auch den Plattenfirmen usw.), was im schlimmsten Fall dazu führen kann, dass fehlende Gelder durch kleinere Budgets für die Produktion ausgeglichen werden oder weniger Bands die Chance haben, unter Vertrag zu kommen. Wie gesagt: Schwieriges Thema!

Venue Music: Was haltet ihr von einem generellen Kopierschutz auf Audio-CDs?

Thomas: Find ich gut. Würde Diskussionen beenden.

Venue Music: Ihr seid gerade dabei, euer 3. Album „Narrenkönig“ aufzunehmen (bzw. habt die Aufnahmen abgeschlossen?!). Wird es ähnlich ausfallen wie die Vorgängeralben? Welche Themen werden darauf angesprochen? Wann wird es veröffentlicht? Wird man bei euren Konzerten schon einige Kostproben davon zu hören bekommen?

Thomas: Der „Narrenkönig“ steckt mitten in den Aufnahmen und wird stilistisch die beiden ersten weiterführen. Es wird ein sehr feines Album, in dem man auch die Weiterentwicklung der ganzen Truppe im letzten Jahr hören wird. Thematisch dreht es sich wieder um einen bunten Haufen lustiger Gestalten, um Liebe, Sehnsucht, Leidenschaft und allerlei Sonderbares. Die Veröffentlichung ist für Anfang Oktober geplant und wer auf den Konzerten gut aufpasst, wird immer wieder mal eine Kostprobe zu hören bekommen.

Venue Music: Seid ihr mit dem bisherigen Erfolg der Band zufrieden? Was erwartet ihr von der Zukunft?

Thomas: Der Erfolg der letzten Vier Jahre ist einfach unglaublich und phänomenal – damit hat niemand gerechnet! Was die Zukunft angeht: Harren wir der Dinge…

Venue Music: Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, Thomas! :)

Interview geführt von Brunhilde.

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