„Der Kleine Bruder“ ist der lang erwartete Mittelteil der bekannten Lehmann-Trilogie von Sven Regener. Mit den beiden erschienenen Bände „Neue Vahr“ (2004) und „Herr Lehmann“ (2001) gelangen dem Autor Sven Regener zwei sensationelle Erfolge. Das Hörbuch zum Mittelteil erschien im September 2008 parallel zum Buch und die auf 5000 Exemplare limitierte Erstauflage enthält die ungekürzte Autorenlesung. Gekürzt bietet das Hörbuch aber schon über 5 Stunden Unterhaltung. Regener versetzt den Hörer nach Berlin-Kreuzberg im November 1980 , als die Mauer noch Stand und in deren Schatten ein Paralleluniversum gedeiht – voll von Künstlern, Hausbesetzern, Kneipenbesitzer, Hunde und Punks. Bier, Standpunkte, Reden und Verräterschweine sind vorhanden – nur eins fehlt: ein Mensch, der mal alles richtig durchdenkt. Diese Person verkörpert Frank Lehmann aus Bremen. Er fährt nach Berlin zu seinem großen Bruder Manni, nachdem seine WG vom Gesundheitsamt geschlossen wurde und das Zimmer bei seinen Eltern zum Fernseher reparieren benötigt wird. Aber Manni, der eigentlich Freddie genannt wird ist weg und nachdem Frank anstelle seines Bruders an einem kurzfristig anberaumten Krisenplenum teilnimmt erfährt er mehr über seinen berühmten Bruder, als er eigentlich wissen will. Aber das Leben kann wie eine Geisterbahn sein: Wenn alle eingestiegen sind und der Bügel unten ist, dann muss jeder alles bis zum Ende mitmachen oder durchmachen.
Der Autor und Erzähler Sven Regener wurde 1961 geboren und kommt wie die Hauptfigur seines Buches aus Bremen. Er ist Sänger und Texter der Band „Element Of Crime“ und die beiden schon erschienenen Bände seiner „Lehmann Trilogie“ standen monatelang auf den Bestsellerlisten. „Herr Lehmann“ wurde inzwischen in 16 Sprachen übersetzt und 2003 von Leander Haußmann verfilmt. Die Rolle des Frank Lehmann übernahm hier Christian Ulmen, der eigentlich wie geschaffen ist, die Hauptperson zu verkörpern.
Aber zurück zum Hörbuch…
Der rote Faden der Geschichte ist die Suche nach seinem verschollenen Bruder und während dieser Suche entstehen die skurrilsten Situationen und aus diesen skurrilen Situationen gehen immer wieder andere skurrile Situationen hervor. Genau wie die beiden anderen Teile ist „Der Kleine Bruder“ absoluter Kult und schließt endlich die Lücke, die zwischen den ersten beiden Teilen entstand. Das Niveau ist gleich geblieben und die Geschichte ist wieder genauso locker und humorvoll geschrieben, dass für einige Lacher gesorgt wird. Nun habe ich aber genug über das Buch geredet und komme zu dem, was ein Hörbuch ausmacht: Der Erzählstimme. Fest steht: Ein Autor kann sein eigenes Buch am Besten erzählen und bringt die Charaktere genauso rüber, wie er es sich ausgedacht hat. Dies gelingt ihm wirklich gut und so verpasst man auch garantiert keine unterhaltsame Szene. Ausdrücke wie „Dich ignoriere ich nicht einmal!“ werden authentisch rübergebracht und sorgen für das ein oder andere Schmunzeln. Einzig und allein die Schnelligkeit des Vorlesens gefällt mir persönlich nicht so. An seine leicht nasale Erzählart gewöhnt man sich sehr schnell, aber das schnelle Lesen verursacht eine mitgefühlte Kurzatmigkeit, die mich schnell nervös werden lässt. Geschmäcker sind aber verschieden und jeder Mensch steht auf einen ganz eigenen Klang in der Stimme – die einen lieben die etwas dunklere und langsame Erzählart und die anderen vielleicht eine etwas hellere Stimme mit mehr Elan. Ich gehöre zu den ersteren, kann hier aber für das Gesamtwerk 9/10 Punkte vergeben.