Am zweiten Tag des Summer Breeze Open Air in Dinkelsbühl wird es noch heißer als zum Festivalauftakt am Donnerstag. Cumulo Nimbus starten mit hochgradig tanzbarer Musik zwischen Folk und Metal im Stile von Subway To Sally. Das Publikum geht voll mit, klatscht und tanzt. Ein paar Flaschen Met spendiert die Band auch noch und bringt zwei Jongleure mit Fackeln, die das Publikum am Ende der Show mit einer Flüssigkeit aus Kanistern übergießen – hui. Dann kann’s ja losgehen! InMe dürfen sogleich als erste auf der Summer-Breeze-Hauptbühne ran. Optisch sind die Engländer eher der Alternative-Ecke zuzuordnen. Ihr interessanter, progressiv angehauchter, Indie-Rock/New Metal und das Bekenntnis des Sängers „Ich liebe die Deutschland“ sind sympathisch, trotzdem locken InMe nur ein winziges Grüppchen an. Der Rest stürmt wohl grad die Fress- und Marktmeile – schade.
Die Gothic-Poser Deadstar Assembly ziehen da schon mehr Leute vor die Pain Stage. Die Band macht ordentlich Stimmung und freut sich, heute zum ersten Mal in Europa zu spielen. Basser The Dro und Sänger Dearborn sind ständig am Herumrennen, während Keyboarder Mubo sein Arbeitsgerät drangsaliert, dass es nicht verwundert, dass es schon recht gebraucht ausschaut. Er reißt es immer wieder hoch und zerrt daran, als wollte er den Unfall. Musikalisch ist das Gebräu aus Industrial Metal und Gothic absolut spaßig und eingängig. Die ebenfalls in diese Bresche schlagenden Mono Inc. haben danach leichtes Spiel. Ihr Gothic Metal mit Sisters-of-Mercy-Touch klingt düster und treibend, die Fans sind angetan und machen dem Sänger auf Kommando eine Welle. Sehr amtliche Performance!
Bei Letzte Instanz ist nun vor der Pain Stage richtig was los. Die Fans singen und klatschen begeistert mit. Folk Metal zum Mitschmettern, das hebt die Stimmung. Die ersten Crowdsurfer werden auch gesichtet. Selbst die neuen Stücke vom kommenden Album bekommen reichlich Applaus. Zum Schluss gibt’s das hüpfbare Blur-Cover „Song 2“. Perfekte Show! Die Grabenschlampen – kein Scherz, die Security nennt sich wirklich so – haben bei Fiddler’s Green auf der Main Stage plötzlich Hochbetrieb, denn jetzt spuckt der begeisterte Mob massenweise Crowdsurfer aus. Die Leute flippen völlig aus und sind ebenso textsicher wie tanzwütig. Neuer Stimmungshöhepunkt! Sogar eine Wall of Death wird erfolgreich inszeniert.
Als nächste sind Black Dahlia Murder dran, die technischen, rasend schnellen Death Metal schrubben. Security und Publikum kommen gleich wieder auf Touren. Prompt brechen alle Dämme. Hier wird der Pogo getanzt und gesurft bis der Arzt kommt. Leider tut er das sogar. Ensiferum sorgen dafür, dass es zum ersten Mal am Freitag vor der Main Stage rappelvoll wird. Es ist kaum möglich, sich aus dem Fotograben zu winden. Die Paganszene scheint heute vollzählig anwesend zu sein. Sänger Petri Lindroos fordert ein Moshpit und bekommt eins. Ein Meer aus in die Luft gereckten Händen lässt keinen Zweifel aufkommen, welche Band heute viele Festivalbesucher sehen wollen.
Danach nehmen Anathema auf der Pain Stage das Tempo wieder etwas raus. Der doomig schwere Rock will nicht so recht zu den gut gelaunten Jungs passen. Der zerbrechliche Gesang steht in krassem Gegensatz zu anderen Bands des Festivals. Das Ergebnis hat aber eine unzweifelhafte Hitdichte und wirkt in der Nacht sicher noch intensiver als jetzt am sonnigen Nachmittag. Dass das Publikum etwas sparsamer reagiert, liegt sicher nicht nur an der melancholischen, gebremsten Art der Musik, sondern auch daran, dass die Menge inzwischen blinzelnd in die Sonne schauen muss.
Nach einer kurzen Verschnaufpause, in der schreckliche, primitive Geräusche und brutales Drum-Geprügel von der Hauptbühne erklingen – Cannibal Corpse wollen die Sonne mit Macht vertreiben – geht’s weiter auf der Party Stage mit Disbelief. Der melodische Death Metal lockt eine kleine Schar Kenner an, die erst nur zögerlich mitgeht. Auf der Pain Stage spielen derweil End of Green, die ihr neues Album auf dem Festival veröffentlichen und daher viel Werbung bekommen haben. Aber schon bald trauen sich doch noch etliche Neugierige ins Zelt. Disbelief erspielen sich mit viel Einsatz ihr Publikum und haben die Unterstützung verdient. Sie nehmen auch mal das Tempo zurück und spielen dann umso intensiver und mitreißender. Origin knüppeln danach wieder brachialen Death und werden ordentlich abgefeiert. Das pfeilschnelle Gekloppe und Geriffe walzt alles nieder. Die Finger von Mike Flores flitzen über den Bass, dass einem ganz schwindelig wird. Man kriegt Angst, es gibt einen Knoten. Irre.
Auf einmal wird es richtig voll im Zelt. Und das, obwohl Gorgoroth gleich auf der Pain Stage loslegen. Despised Icon spielen ihren letzten Gig auf dem Summer Breeze. Die Security reagiert korrekt und stockt die Truppe im Graben kräftig auf. Das ist auch nötig, denn jetzt geht hier die Post ab. Die Energiebündel auf der Bühne, die wie ein Bienenschwarm herumwirbeln, übertragen ihre Motivation auf die Fans, die völlig steil gehen, zum Deathcore die Fäuste recken und surfen, Pogo tanzen, Circle Pits drehen und sich bei einer Wall of Death die Schädel spalten.
Umgedrehte Kreuze werden installiert – Watain sind dran. Zeit für wuchtigen, intensiven Black Metal mit fantastischen Melodien und Songstrukturen. Der Auftakt mit „Malfeitor“ vom aktuellen Album sitzt. Die extrem geilen Riffs, die fast schon hitverdächtigen Songs und die gut eingespielte Band lassen die Show zur grimmigen schwarzen Messe allererster Güte geraten. Schade, dass es so schnell vorbei ist. Aber morgen ist ja auch noch ein Tag.