Samsas Traum

Foto Samsastraum
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Wäre die Bandgeschichte von Samsas Traum ein altes, vergilbtes, in Leder gebundenes Buch, das in irgend einer schlecht frequentierten Stadtbibliothek an der Grenze zum Nichts stehen und auf einen Leser warten würde, so wäre der Titel dieses Buches „Eine Enzyklopädie des dritten Weltkrieges“. Weil es leider weder dieses Buch, die dazugehörige Bibliothek, die Grenze zum Nichts noch einen dritten Weltkrieg gibt, muss die Geschichte dieser einen Band eben einfach die Geschichte einer Band bleiben. Da die Grenze zum Nichts jedoch nur aus dem Grund nicht besteht, weil Realität und Phantasie in meinem Kopf fließend ineinandergreifen, ich also im Nichts lebe, ständig von ihm umgeben bin und sich Wahrnehmungs-Barrieren deshalb erübrigen, werde ich die Geschichte meiner Band anders erzählen, als man es vielleicht gewohnt ist.

Samsas Traum ist mein bester Freund und gleichzeitig mein größter Feind, wenn nicht sogar mein Todfeind. Samsas Traum hat mehrmals versucht mich umzubringen und mir gleich zweimal eindrucksvoll das Leben gerettet. Samsas Traum ist die nicht-inkarnierte Entität, die in der Lage dazu ist, den künstlerischen Sektor auf dem Spielbrett meines Lebens in höchste Verzückung zu versetzen; oder der Dorn in meinem Auge, der mir Schmerzen und Qual zufügt und mich maßlos unglücklich macht. Mit anderen Worten: Samsas Traum ist das gottverdammte Gespenst, daß mir keinen Frieden lässt, mich zuerst ernährt und mir danach meine Zähne zieht.

Samsas Traum, die umstrittendste Ausgeburt der deutschen Gothic- und Undergroundszene, entstammen dem Kopf einer Person, in dem Herz, Seele und Verstand ständig darum bemüht sind, sich gegenseitig den Rang des „enfant terrible“ abzulaufen. Wer also glaubt, das textliche und klangliche Spektrum der aus diesem Krieg resultierenden Musik annähernd überblicken zu können, kann sich ausmalen, dass er oder sie die Abgründe und Dimensionen, aus denen sie entstiegen ist, nicht einmal annähernd begreifen kann; schon alleine deshalb nicht, weil ich sie selbst nicht begreife. Und ob man mir nun glauben mag oder nicht; trotz des unweigerlich vorhandenen Mangels an Antworten auf berechtigte Fragen ergibt für mich jedes Kunststück, das ich in der Welt von Samsas Traum vollführe, einen Sinn: vielleicht, weil ich durch die Musik von Samsas Traum versuche, der Sinnlosigkeit des Lebens in der externen Welt zu entfliehen. Leider gibt es nur zwei, vielleicht drei Maximen in meinem Leben, denen ich eine Bedeutung zumesse. Einiges an mit ihnen verbundener (Anti-)Materie befinden sich nicht in, sondern außerhalb von mir. Es ist sehr bezeichnend für die Musik von Samsas Traum, dass ich mir alles, was ich liebe, einverleiben möchte.

Samsas Traum ist die zu Klang gewordene Darstellung des Konfliktes, der an dem Tag in mir geboren wurde, als ich bemerkte, dass die Welt nicht so funktioniert, wie ich es will. Noch heute möchte ich die Tür finden, hinter der sich das verbirgt, was manche Menschen unter Gott verstehen, denn ich gehe durch Logik erzeugte Gedanken davon aus, dass es diese Tür irgendwo geben muss. Ich suche zwanghaft nach ihr, weil ich das, was sich hinter ihr verbirgt, auf Grund des Konfliktes in mir töten möchte. „Schicksal“ hat meine Mitmenschen, die Welt, das Universum und mich selbst zu dem werden lassen, was daraus geworden ist, und damit hat sich „Schicksal“ sein Ende verdient. Samsas Traum steht sinnbildlich für den kindlich-naiven Kampf in meinem Kopf, den ich gegen die alles vernichtende, doch von mir selbst akzeptierte Wahrheit führe, dass nichts von dem, was ich tue, von Bedeutung ist; dass ich im Universum alleine und für mich selbst verantwortlich bin. Umso wichtiger ist es zu lieben und geliebt zu werden.

Samsas Traum ist für mich die größte Vernichtungsmaschinerie, die mir jemals in meinem Leben begegnet ist und begegnen wird. In der Realität hat Samsas Traum unzählige Menschen ausgesaugt und verbraucht. In der Welt der Phantasie hat Samsas Traum unzählige Menschen vernichtet, getötet, in den Erdboden gestampft und auf ihre Gräber gespuckt; und da die eingangs erwähnte Grenze zwischen der friedlichen Normalität und dem Nichts nicht existiert, stand ich oft selbst kurz vor dem Stadium, von Samsas Traum vernichtet zu werden. Das erschreckende an Samsas Traum ist, dass es sich nicht um Musik handelt; für mich sind weder die Noten noch die Buchstaben das, was meine Band ausmacht. Betrachte ich das Zusammenspiel aller mitwirkenden Faktoren, stelle ich fest, dass Samsas Traum keine Band, sondern „Leben“ ist. De facto habe ich vom heutigen Tag an, an dem mein Kopf nahezu leergedacht ist, weitere 7 Studioalben Zeit dazu, mich von Samsas Traum zu trennen und meine Band zu vernichten, bevor sie mich mit sich in die Tiefe reißt. Mancheiner sucht sich auch Ahab als Vorbild aus.

Samsas Traum haben 4 Studio-Alben, eine EP und eine Sammlung alter Aufnahmen veröffentlicht. Stücke von Samsas Traum sind auf unzähligen Samplern zu finden. Das wichtigste ist allerdings, dass Samsas Traum immer Helden, die mehr Freunde als Feinde hatten, gehasst und kategorisch abgelehnt haben.

:WEB: www.samsas-traum.info

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