Die Karriere von Philipp Poisel (ausgesprochen: Poasell) entwickelte sich mit rasender Geschwindigkeit. Er trampte durch Osteuropa, verbrachte einige Winter in Litauen und Schweden und verdiente sich auf manchen seiner Reisen den Lebensunterhalt auf den Straßen mit Singen und Gitarrespielen. Philipp kommt aus einer schwäbischen Provinz und wurde 1983 in Ludwigsburg geboren. Er ist ein Vagabund im 21. Jahrhundert und dennoch ist ihm klar, dass seine Heimat ihn geprägt hat. Er kann sich vorstellen, sein Leben lang unterwegs zu sein und trotzdem mit seiner Heimat verbunden zu bleiben. Die Inspirationen für seine Lieder findet er im Zug, im Bus, auf der Straße und in den Häusern der Menschen, bei denen er einkehrt. Er ist der geborene Geschichtenerzähler und erzählt bei seiner Heimkehr von unterwegs und singt in seinen Liedern von Zwischenmenschlichem, das ihm begegnet. Mit seinen Songtexten sollte sich also jeder identifizieren können, der die Augen draussen stets offen hat.
Im Sommer 2006 lernt Poisel beim Mittagessen in Stuttgart seinen heutigen Produzenten Frank Pilsl kennen. Ende 2006 begannen die beiden mit den ersten Aufnahmen für das spätere Album. Der Plan: Die Platte sollte vor allem ihnen selbst gefallen. Aus Liebe zur Musik. Am Ende sollen die Leute selbst entscheiden, ob ihnen diese Musik gefällt oder nicht. Rasch zeigen mehrere große Plattenfirmen Interesse an Philipps Demo-Material. Doch die Vorstellungen gehen zu weit auseinander und eine mögliche Zusammenarbeit kommt nicht zustande. Also blieb Philipp nichts anderen übrig, als mit zwei Partnern das eigene Label „Holunder Records“ zu gründen. In letzte Sekunde bekommt das Label „Grönland-Records“ Wind von Philipps Projekt. Bei einem spontan organisierten Konzert im November 2007 ließ es sich dann überzeugen und Anfang 2008 unterschreibt Philipp seinen Vertrag bei Grönland.
Seit der Veröffentlichung seiner Single im Mai 2008 hat seine Reise deutlich an Fahrt zugenommen. Er tourte das ganze Frühjahr durch Deutschland und die venues könnten nicht abwechslungsreicher sein. Egal ob im Wohnzimmer eines Freundes oder einiger Fans, vor einem erlesenen Publikum, in einem kleinen Club oder als Support vor Herbert Grönemeyer oder Suzanne Vega: In Sachen Intensität und Gefühl gibt es keine Unterschiede. Seine berührende Intimität zieht den Zuhörer sofort in seinen Bann. Auch im Radio fand er einige Anhänger. Er gewann die „Nacht der Talente“ bei Radio Fritz, wurde in den Hörercharts des SWR3 auf Platz 1 gewählt und N-Joy verlieh ihm den Titel „Newcomer des Monats“.
Tracklist:
- Wo fängt dein Himmel an?
- Halt mich
- Als gäb’s kein Morgen mehr
- Ich und Du
- Herr Reimer
- Mit jedem deiner Fehler
- Wie Du
- Unanständig
- Seerosenteich
- Wer braucht schon Worte
- Irgendwann
- Durch die Nacht
- Schweigen ist Silber
Wie ich es auch schon bei der Single erwähnt habe: Die Musik von Philipp Poisell wirkt im Großen und Ganzen kantig arrangiert und die Texte sperrig. Seine Stimme klingt im ersten Moment sehr brüchig und z.T. jammernd. Auch der Presseinfo kann man solche Worte entnehmen. Und da die Platte eh so aufgenommen wurde, dass jeder für sich selbst entscheiden soll, ob ihm die Musik gefällt, sollte sich wirklich jeder selbst ein Urteil bilden. Aber bitte erst dann, wenn man dem Album ein paar Hördurchgänge gegönnt hat. Die braucht man nämlich wirklich, da sich dem Hörer der Zugang zur Pop-Musik erst öffnet, wenn er sich tapfer den Weg durchs musikalische Gestrüpp erkämpft hat. Sehr metaphorisch dargestellt, aber es verbildlicht am Besten, dass Philipps Denkweisen in seinen Songs durchaus verwirrend sein können – hat man sich aber in ihn hineinversetzt, so fühlt man sich in seiner Welt wohl. Die Harmonie der Songs und das Feeling welches sie vermitteln, erinnert mich sehr an „Herbert Grönemeyer“, „Xavier Naidoo“ oder auch „Ich & Ich“. Allerdings singt er verständlicher als „Grönemeyer“, weniger jammernd als „Xavier Naidoo“ und weniger kraftvoll als „Ich & Ich“. Der Opener „Wo fängt der Himmel an“, welcher schon als Single ausgekoppelt wurde, ist ein schöner langsamer Walzer im 6/8 Takt und schon der erste Ohrwurm, der sich gleich zu Anfang ins Gehirn brennt. Umso höher ist natürlich auch die Erwartungshaltung was die restlichen Songs angeht. „Halt mich“ bremst das sanfte Schunkeln, welches sich beim Opener eingestellt hat, abrupt ab und bringt den Hörer wieder runter auf den Boden der Tatsachen. Für meinen Geschmack eine etwas zu unsanfte Bremsung, denn kaum ist man am „Mitleiden“, startet Philipp mit „Als gäb’s kein Morgen mehr“ wieder voll durch. Der Anfang des Songs ist wie gewohnt eher langsam, beschleunigt aber im Refrain mit einem Discofox-Rhythmus. „Ich hab getanzt als gäb’s kein Morgen mehr“ und das hört man auch deutlich heraus. Verliebt geht es mit „Ich und Du“ weiter, „Herr Reimer“ wirkt wieder bremsend erzählend und „Mit jedem Deiner Fehler“ strotzt nur so vor Liebe. Gerade hat man sich an diesen säuselnden Gesang gewöhnt, startet Philipp in „Wie Du“ sogar mit E-Gitarren-Riffs durch.
Ihr seht schon: „Wo fängt dein Himmel an“ ist Abwechslung pur. Hier bekommt jeder das was er will. Ob verträumt, romantisch, melancholisch, vor Freude tanzend oder verzweifelt – Philipp schafft es mit seiner Stimme und gekonnt eingesetzten Arrangements jede Art von Stimmung rüberzubringen. Dabei wirkt seine Stimme zum einen brüchig, aber zum anderen wiederum stark und voller Ausdruckskraft. Songs wie „Wo fängt dein Himmel an“, „Als gäb’s kein Morgen mehr“ oder „Ich und Du“ sind wahre Perlen. Und wie Herbert Grönemeyer so schön schrieb:“Philipp Poisel singt mit Herz von ganzem Herzen, hat eine sehr spezifische, sehr eigene, durchsetzungsfähige Stimme und besingt das Leben in der Tradition der fahrenden Troubadoure. Seine Lieder wachsen mit jedem Mal Hören und entwickeln einen wärmenden, beruhigenden Sog“. Besser kann man es eigentlich nicht sagen und dem schließe ich mich auch an. Ein großartiges Album! 9/10 Punkte.