Nun haben also Avantasia doch nicht den deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest für sich entscheiden können. Allerdings ist ein dritter Platz in einem Land, das als Lösung für ausbleibende internationale Erfolge auf eine Helene-Fischer-Kopie und ein neues Leid…äh Lied von Ralph Siegel setzt, aller Ehren wert. Mir fehlte freilich noch Til Schweiger, der mit ausdrucksstarker Angepisstheit im Gesicht auf einem mit goldenen Ausrufezeichen beschlagenen Xylophon ein gesellschaftlich aufrüttelndes Modern-Talking-Epos zur Aufführung bringt. Letztlich haben die Zuschauer aber mit feinem Gespür für kulturelle Traditionen und Vorlieben eine Gewinnerin gekürt, die sehr gute Chancen auf den Sieg in Japan haben wird, wo bekanntlich am 14. Mai diesen Jahres in… MOMENT, DAS FINDET IN SCHWEDEN STATT???
Von dort kommen JONO her und die mag ich diesen Monat sehr. Denn nun weiß ich endlich um meine Berufung in der musikalischen Kunst. Ich entsage dem in der letzten Besprechung gehuldigten Michi-Kiske-Krass-Karaoke, das mir doch nur kapitalen Scham und kratzende Schmerzen im Kehlkopf gebracht hat. Ich studiere ab sofort „Dramatischen Gesang mit aber jetzt mal ganz weit ausholender Gestik im Nebenfach“ auf der Johann-Norby-Universität auf der Insel Gotland! Dort nämlich wurde der Sound erschaffen, den man als progressive Mischung aus Queen, Supertramp, Kansas und Journey klassifizieren kann. Oder wie ich simpel als „Liza-Minelli-singt-hochtheatralischen-Pomp-Rock“.
Das bereits im vergangenen Jahr veröffentlichte „Silence“ hat diese erfrischende Schrägheit, die sich bei mir schon direkt nach dem einsteigenden Orchestergewusel in „Man of Misery“ sofort festgesetzt hat. Wer beim Gesang von Bandleader und -namensgeber Johann Norby sich nicht direkt in ein Diva-Glitzerkleid schmeißen und einzelne Silben lang gedehnt in die Umgebung entbieten will, darf nie wieder am Grab von Freddie Mercury weinen. So er es denn findet.
„Wasting Time“ mit einem Gitarrensolo, bei dem Brian May nochmal den Wind zwischen den grauen Locken spürt, bringt gleich den nächsten Höhepunkt. „Can We Make It“ setzt ein schroff monotones Riff in die Landschaft, um das sich ein kunstvoll gebundenes Prachtpflänzchen aus Opus und Epos windet. „Turn Around“, eine schlicht zum Schluchzen schöne Schwermuts-Ballade. „The One To Blame“, ein feiner „Du-bist-schuld-Trennungsschmerz“-Song im Feelgood-Kleid.
Genug geschrieben, jetzt wird gehört.
Wir sehen uns bei der Abschlussklasse.
Und bitte die weißen Handschuhe für die Jazz-Hands nicht vergessen!