Götz Widmann ist volljährig! Als Mensch natürlich schon ein wenig länger, im Jahr 2010 aber auch als Liedermacher. Zeit für ein Album mit einer Auswahl der besten Lieder von fünf Joint Venture Platten und sieben Götz Widmann Alben, live neu eingespielt und auf zwei CDs gepresst. „Balladen“ ist aber – wie der Name schon sagt – kein gewöhnliches Best-Of, sondern die Sammlung der schönsten und tiefsinnigsten Balladen. Ein Highlight, nicht nur für Fans.
Titelliste:
CD 1 – Männer & Frauen
- das kornfeld und der wind
- die zwei trauben
- ich freu mich wenn sie lacht
- die blume
- glück
- arme schöne frau
- spiegelbild
- kosewort
- wie gut mir deine liebe tut
- die traurige königin
- wolke 7
- lavamärchenland
- one night stand
- einsamkeit
- erzähl mal was von dir
- ich möcht gern mal du sein
- eine göttliche komödie
CD 2 – Alles wieder gut
- süffelmann
- der tag des herrn 2
- alles wieder gut
- blau und blau
- meine nächste grosse liebe
- das bittere ende
- struktur
- mp7
- deine frau
- moleküle und galaxien
- tiefes leiden
- die wunderschlampe
- jammerballade
- ich liebe mich
- henri zimmermann
„Balladen“ umfasst mehr oder weniger alle ruhigen, philosophischen, sentimentalen, depressiven und nachdenklichen Töne aus Joint Venture- und aus Solozeiten. Für Fans seiner gedankenvolleren Songs eine längst überfällige Platte. Doch auch wer Götz Widmann noch nicht kennt und textlich anspruchsvolle, bewegende Lieder aus dem Leben schätzt, sollte einen Kauf in Erwägung ziehen.
Nun kann man Widmann natürlich vorwerfen, dass die Doppel-CD zwar satte 32 Lieder umfasst, davon aber 28 bereits bekannt sind, so dass bloß vier neue Songs bleiben. Das ist allerdings erstens für ein Best.Of-Album gar keine so schlechte Zahl und wird zweitens dadurch gelindert, dass echte Fans immer wieder Veränderungen bemerken werden. Hier eine neue Zeile, da eine leichte musikalische Variation. Besonders klasse beispielsweise das neue Mundharmonika-Solo bei „Blau und Blau“. Außerdem ist es spannend, Songs, die man in gepresster Form nur mit Kleintis Stimme kennt, von Götz Widmanns tieferer Stimme vorgetragen zu hören. Das mag für regelmäßige Konzertbesucher keine Besonderheit zu sein, für alle anderen jedoch keine uninteressante Modifikation. Des Weiteren können sich Kritiker des Band-Albums „Habt euch lieb“ über einige der Songs in reiner Akustik-Form freuen. Und manche der Songs, die bisher nur Live-CDs enthalten waren, wirken sauberer gespielt, feiner vorgetragen; der Sound ist besser.
Und die vier neuen Songs? „Struktur“ fügt sich am besten in das Konzept der Platte, schöne Melodie, berührender Text. „MP7“ wirkt etwas fehl am Platze. Erstens weil es ein Gedicht und kein Lied ist, zweitens, weil es für das allgemeine Balladen-Thema noch am ehesten unpassend wirkt, wenn es auch qualitativ überzeugt. „Kosewort“ ist ein amüsanter Song, „Lavamärchenland“ eine wunderschöne Fernweh-Hymne.
Insgesamt sind auf den CDs fast alle wichtigen Balladen enthalten, außer vielleicht ein paar der Lieder vom letzten Album „Hingabe“, die zumindest ins Gesamtkonzept des Albums gepasst hätten, und auch Songs wie „Wieder im Büro“, „Walther“, „Zeit“, „Nicht richtig genug“, „Wenn ich nachts nicht schlafen kann“, „Kaschmirweib“ oder „Trink, Bruder, trink“ hätten einen geeigneten Platz auf den Scheiben finden können. Das ist aber eine Frage der Zusammenstellung, außerdem hätte die Einbeziehung aller in Frage kommenden Songs den Umfang einer Doppel-CD sicherlich gesprengt.
Fazit:
Wer begeisterter Fan der lauten, schimpfenden, beleidigenden, chauvinistischen, bösen, schreienden, urkomischen und perversen, der Kiff-, Fick- und Suffsongs von Joint Venture / Götz Widmann ist und auf Konzerten bei leisen Klängen quatscht, gähnt, sich langweilt und eigentlich nur auf den besoffenen Eduard-Chor wartet, um mitbellen zu können, der wird wahrscheinlich irritiert sein, wenn er „Balladen“ in den CD-Player schiebt. Vielleicht lässt er es lieber, dann aber verpasst er Großes. Wunderschöne Liebeslieder, tiefdepressive Nahtoderfahrungen, philosophische Erzählungen, Schmerz- und Glückserfahrungen aus dem Alltags- und Liebesleben und last but not least den 2 Stunden, 10 Minuten und 17 Sekunden andauernden Beweis, dass Götz Widmann nicht nur „Extremliedermaching“ und „Drogen“ kann, sondern ein gefühlvoller Textakrobat ist, der Lieder im Repertoire hat, die etwas schaffen, das nicht vielen gelingt: Er bewegt den Hörer. Götz Widmann kann eben auch – oder gerade – „Balladen“.