Natürlich sind es Klischees, aber mal ganz ehrlich: was assoziiert man zuerst mit Russland? Kommunismus, Sibirien, Kalaschnikows, Wodka, Kosmonauten, Neureiche, das russische Staatsballett und die russische Mafia. Die Liste könnte man natürlich noch eine Weile fortsetzen, aber was wahrscheinlich bei niemandem auf der Liste stehen würde: Ska-Punk. Dabei sind Distemper schon seit 20 Jahren nicht nur in Russland erfolgreich unterwegs. Sie gelten als „russische Ska-Punk-Institution“ und schon nach den ersten Klängen der Bläser auf dem aktuellen Album „The World Is Yours“ („Mir sosdan dla tebja“) wird einem klar, warum das so ist. Die Musik geht sofort dahin, wo guter Ska hingehört: in die Beine.
Line-Up:
- Dacent – guitar/vocals
- Lelik – bass
- Bai – drums
- Vit – trumpet
- Vasya – trombone
Tracklist:
- The World is yours
- Can’t escape from yourself
- Blanket of Roofs
- Pockets full of Happiness
- I’m changing
- Maybe it was a dream
- Why are you so scared?
- Drunks and Children
- City
- Shine in eyes
- We will certainly comeback
Die deutsche Veröffentlichung des 13. Albums des Moskauer Quintetts wurde im Vergleich zur russischen Ausgabe beim Artwork aufgemotzt. Das Digipak aus rauem Karton und das offenbar auf grauem Recyclingpapier gedruckte 16-seitige Booklet kommen auf eine dreckige Art und Weise sehr edel rüber. Klingt komisch, ist aber so. Zu allen Texten sind im Booklet die englischen Übersetzungen zu finden. Damit kann man die Texte zumindest nachlesen, denn beim Verstehen werden sich die meisten wohl eher schwer tun. Ob man mit entsprechender Sprachkenntnis den Gesang von Dacent gut versteht entzieht sich leider meiner Kenntnis, auf jeden Fall ist seine Stimme faszinierend. Sie klingt – womit wir wieder beim Thema Assoziationen und Klischees sind – genau so, wie man sich die Gesangstimme eines rauchenden Alt-Punks mit mehrjähriger Praxis in der peroralen Vernichtung von Wodka vorstellt. Die Stimme ist aber nicht das einzige Punk- und Hardcore-Element der Musik. Hier hat die Band ihre Wurzeln, schließlich begann man 1989 als Hardcoreband – die Entwicklung zum Ska-Punk kam erst mit der Zeit, dabei wurde aber die Aggressivität des Hardcore immer beibehalten. Das zusammen ergibt eine energiegeladene Mischung, die sowohl Hardcore- als auch Ska-Fans überzeugen kann. Und nicht nur Fans, auch wer wie ich nur dann und wann mal ein wenig Ska auflegt oder ein Konzert der Busters besucht, sollte zumindest mal bei Distemper rein hören. Die Gelegenheit Distemper im April in Deutschland live zu sehen ist leider vorbei, aber die Termine sollte man auf jeden Fall im Auge behalten und das so bald als möglich nachholen, denn die CD klingt definitiv nach einer ausdrücklichen Aufforderung, die Band live zu hören erleben.
Wer mal in die CD rein hören möchte und nicht genug Zeit für einen kompletten Durchlauf hat, der sollte neben dem ersten Track („The world is yours“) auf jeden Fall auch dem fünften Song auf dem Album sein Ohr leihen: „I’m changing“ wechselt zwischen Hardcore und Ska, ohne dass es künstlich klingt – der Song wirkt trotz oder gerade wegen der extremen Sprünge wie aus einem Guss. Aber eigentlich sollte man der CD die knappe Stunde für einen kompletten Durchlauf geben.
Was mir persönlich hier fehlt: Texte, die ich auch verstehe. Zwar bin ich nicht – wie manch anderer – direkt genervt, wenn ich die Texte nicht verstehe, aber mir ist es einfach lieber, wenn ich auch beim Hören schon weiss, was da gesungen wird und gerade im Fall von Musik, die für Konzertbühnen gemacht wurde will man auch mitsingengröhlen können (wobei das bei einem Konzert nach der richtigen Dosis Bier wohl trotzdem funktionieren dürfte). Dafür gibt es zwei Punkte Abzug, zwei weitere Punkte ziehe ich nicht dafür ab, dass wir die CD leider zu spät bekommen haben, um noch ein Konzert der Band zu besuchen ;) Kurz: 8 von 10 Punkten und wer die russischen Texte versteht, der darf gerne zwei Punkte addieren und von maximaler Punktzahl ausgehen.