Die Zeit vergeht, man wird älter und das gilt natürlich auch für die Hosen. Über die Frage, ab welchem Album man die Alben der Düsseldorfer statt unter „Punk“ lieber unter „Pop-Rock“ ablegen sollte, kann man sicher streiten. Für manchen war alles nach der Horrorshow eine musikalische Horrorshow, andere sehen den Abschied vom Punk irgendwo in den 90er Jahren. Inzwischen auch egal, denn Punk sind die Hosen nicht mehr. Man sagt ja, dass Menschen immer konservativer werden, je älter sie werden. Das erklärt natürlich so manche Aussage von Campino in letzter Zeit, sei es der (meiner Meinung nach peinliche) Diss in Richtung Böhmermann oder die Ansage im Herbst Angela Merkel, also wohl die CDU wählen zu wollen.
Laune der Natur
Aber es muss ja nicht immer Punk sein und selbst Schlager-Pop-Rock hat eine gewisse Existenzberechtigung und muss nicht unbedingt schlecht sein. Trotzdem muss ich zugeben, dass ich mir das aktuelle Album nicht geholt hätte, wäre da nicht der Bonus der Spezial Edition: Learning English Lesson 2. Denn so richtig reissen mich die Hosen schon länger nicht mehr so richtig vom Hocker. Zwar fand ich ihre letzten Alben nicht wirklich schlecht, aber eben auch nicht richtig gut. Nett anzuhören, aber mehr nicht.
Und dann nun also hier das neue Album und um ganz ehrlich zu sein: Laune der Natur hätte ich mir ohne den Bonus wohl nicht gekauft, da hätte mir der Zugriff über Streaming locker gereicht. Urknall, Die Schöne und das Biest oder sogar Wannsee (warum kommt dieser Gag erst 2017? Also „Wannsee, wann seh ich dich endlich wieder“) sind Songs, die ich gerne höre, aber auf Dauer gehen mir die „Hey, hey, hey“, das „Wooooah-Woooahhh“ und das „Oooo-oh!“ ziemlich auf die Nerven. Klar, es braucht „Mitsingteile“ in den Songs, die auch die besoffensten Konzertbesucher noch irgendwie dahingelallt bekommen, aber nüchtern geht das zumindest mir in dieser Häufigkeit ziemlich auf den Sack. Möglicherweise muss ich das Album einfach mal betrunken hören?
- Urknall
- Alles mit nach Hause
- Wannsee
- Unter den Wolken
- Pop & Politik
- Laune der Natur
- Energie
- Alles passiert
- Die Schöne und das Biest
- Eine Handvoll Erde
- Wie viele Jahre (Hasta La Muerte)
- ICE nach Düsseldorf
- Geisterhaus
- Lass los
- Kein Grund zur Traurigkeit
Insgesamt steckt in dem Album sehr viel Abschied, aber das war durchaus zu erwarten, immerhin hat die Band mit diesem Werk auch den endgültigen Abschied von ihrem früheren Manager und Wölli verarbeitet. Letzterer beendet auch das Album mit Kein Grund zur Traurigkeit, auch kein Punk, sondern klingt nach Johnny Cash und das schon seit 2011. Das Original erschien auf dem Album „Das ist noch nicht alles“(*) von Wölli & Die Band des Jahres.
Tatsächlich fällt es mir schwer, dem Album eine Wertung zu verpassen. Die Songs sind nicht so glatt geschliffen wie bei anderen Pop-Rock-Bands, so ein kleiner Hauch von Punkrock ist da noch irgendwo drin, aber zu wenig, als dass da irgendwas so richtig hängen bleibt. Nett. Nicht „die kleine Schwester von Scheiße“-nett, sondern halt schön gemacht, durchaus rund, halt okay. Kann man hören, einige der Songs machen sich auch ganz gut in der Standard-Playlist, aber eher kein „Ich muss das jetzt unbedingt wieder hören“-Album (hätte ich aber auch nicht erwartet).
Learning English Lesson 2
Offiziell der Bonusteil des Albums, aber von mir aus hätte es auch umgekehrt sein dürfen. Der Vorgänger läuft bei mir seit der Veröffentlichung (ja, seit 1991, so lange ist das schon her) immer wieder. Kunststück bei einem Album, das Versionen von Songs enthält, die man sowieso schon mag oder gar liebt. Um es kurz zu machen: „Learning English Lesson 1“(*) ist kaum zu toppen, auch nicht mit so vielen Jahren Vorbereitungszeit, aber die Band hat hier einen schönen zweiten Teil hingelegt, der sich genau so gut hört. Hier wird wieder mal beweisen, dass gute Songs zeitlos sind, richtig gute Songs funktionieren auch nach 10, 20 30 oder 50 Jahren noch.
- Step 1: Welcome to Learning English Lesson 2
- The Sound of the Suburbs (mit JC Carroll)
- Where Are They Now (mit Colin McFaull)
- California über alles (mit Jello Biafra)
- Step 2: Revolution
- Viva La Revolution (mit Monkey & Pete)
- Nobody’s Hero (mit Jake Burns)
- Teenage Kicks (mit Damian O’Neill)
- Flying Saucer Attack! (mit Fay Fife & Eugene Reynolds)
- Step 3: How about a Knuckle-Sandwich?
- Where Have All the Boot Boys Gone? (mit Wayne Barrett)
- Sonic Reducer (mit Cheetah Chrome)
- Lookin‘ After No. 1 (mit Bob Geldof)
- The Jinx (mit Peter Bywaters)
- Your Generation (mit Tony James)
- Step 4: Family Plannings
- Darling, Let’s Have Another Baby (mit Johnny Moped)
- Where’s Captain Kirk? (mit Spizz)
- Harmony in My Head (mit Steve Diggle)
- This Perfect Day (mit Chris Bailey)
- Step 5: Sprechen Sie Deutsch?
- Wunderbar (mit Eddie Tudor Pole)
- I’m an Upstart (mit Thomas „Mensi“ Mensforth)
- (Get a) Grip (on Yourself) [mit Hugh Cornwell]
- Fight to Be Yourself (mit „Mad“ Phil Thompson)
- Staring at the Rude Boys (mit John „Segs“ Jennings)
- Janet and John Say Goodbye
Wenn ich nun beide Teile des Albums getrennt bewerten müsste, dann würde Learning English Lesson 2 schon alleine des Nostalgie-Faktors wegen (ich bin ja auch nicht mehr so jung) 10 Punkte bekommen, während Laune der Natur alleine so zwischen 7 und 8 Punkten liegen würde. Als Gesamtwerk werden es 8,7 Punkte.
Zu haben ist das Album – immer daran denken: nehmt die Spezial Edition – in allen möglichen Formaten (Streaming, Download, CD, Vinyl) zum Beispiel bei Amazon(*) oder rein digital bei Apple(*). Persönlich habe ich mir die Vinyl-Ausgabe zugelegt, der auch die CDs beiliegen.
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