Und ich dachte, ich kenne so ziemlich alle musikalisch liebenswert verschusselten Metal-Bands aus Schweden. Weit gefehlt! Das Diablo Swing Orchestra ist bisher unter meinem Radar gesegelt und wie das passieren konnte, ist mir selbst ein Rätsel. Denn hier schwingt der Gehörnte den Pferdefuß, wie ein Rezensent bei amazon treffend formuliert. Jazz, Metal, Mariachi, Swing, Oper, Progressive Rock, Folk und Klassik prasseln auf mich als Hörer ein, dass ich mir nach knapp 53 Minuten des Ausgesetztseins in diesem Klangdschungel nur ein verdutztes „Geil is!“ aus der Bewertungsflöte zwitschern kann.
Fangen wir mit „Voodoo Mon Amour“ an: hat jemand Tim Burtons „Corpse Bride – Hochzeit mit einer Leiche“ gesehen? Die Musiknummer mit den swingenden Skeletten? Das ist exakt die Richtung, in die DSO mit diesem groovenden, cello- und bläserangetriebenen Opener gehen, allerdings mit einer zusätzlichen dicken Schicht Fleisch auf den Rhythmus-Rippen und einer furios singenden Annlouice Loegdlund. „Guerilla Laments“? Mariachi-Angriff aus vollen Rohren, unterstützt von großartiger Percussion. Das Teil kocht und blubbert wie feinstes Crystal Meth aus New Mexico. Prima, ich bin wegen des genialen Auftakts von Breaking Bad eh gerade in der passenden Latinostimmung. „Kevlar Sweethearts“ (wer denkt sich bitteschön diese Songtitel aus?): schwerer Einstieg mit Apocalyptica-Referenz, ein Trompeteneinsatz, den In Extremo wohl mit Dudelsäcken bestritten hätten, Bass, schwermütige Fiedel, säuselnder Gesang. Bevor dank einsetzender Geigen endgültig aparte Balladenstimmung aufkommt, zersägen die Cellos die Wölkchen aus „Hach“ und „Seufz“.
„How To Organize A Lynch Mob“ – Instrumental unter einer Minute. Aber stimmungsvoll, könnte aus einem Eastern stammen. „Black Box Messiah“: kompletter Stilwechsel, J-Pop mit Geigen und Trompeten, schreiende japanische Mädchen wollen mir ans Ohr – wäre Musik eine Farbe, alles wäre kreischbunt und ich wahrscheinlich blind. Aber ich mag es! „Exit Strategy Of A Wrecking Ball“: Daniel Håkansson übernimmt die Vocals, seine warme Stimme trägt eine Nummer, die eigentlich Ballade wäre, würden diese Verrückten nicht noch Psychedelic und Heavy Rock in den Topf schmeißen und das Ganze in einem wütenden Finale enden lassen. Ein wütendes Finale mit Mariachi-Trompeten, darauf muss man erst mal kommen. „Aurora“: sanfte Glockenklänge, zarte Streicher, Soprangesang. Könnte aus einem Disney-Animationsfilm stammen. Ich trau dem Braten nicht. Da kommt sicher gleich eine ganz harte Keule, die mir ohne Betäubung die Kronen aus den Beißerchen haut. Nein, es bleibt ruhig, der Song fließt als keckes Easy Listening aus. Jetzt haben die mich schon wieder überrascht, verdammt!
„Mass Rapture“: Sitar zum Einstieg, orientalisches Flair, Übergang zum Riffing, wieder Håkansson am Mikro. Insgesamt nicht überspektakulär, aber wie alle Songs großartig arrangiert. „Honey Trap Aftermath“: auf Hochglanz getrimmte, sehr lässige Jazz-Nummer. Was Nightwish mit „Slow, Love, Slow“ auf ihrem letzten Album sich nur getraut haben anzudeuten, bringen DSO hier zur Reife. „Of Kali Ma Calibre“: der ultimative Song der CD für Metalfreunde. Furioses Intro, operesker Gesang, Blastbeats, donnernde Trompeten, zum Heulen schöne Violinen. Hat mich sofort angefixt, für mich die Visiten- und Eintrittskarte des Albums. Auch wenn der Rest des Songmaterials bei weitem nicht mehr diesen Härtegrad erreichen soll. Zum Finale noch „Justice For Saint Mary“, ein ruhiger Ausklang mit Streichern an allen Ecken und Enden, bevor als ultimativer Rausschmeißer nochmal die ganz fette Instrumental-Vollbedienung mit elektronischen Verfremdungseffekten serviert wird.
Fazit: Wer verschiedenen Musikrichtungen offensteht und gerne dem Klang gesprengter Genregrenzen lauscht, findet hier seine Erfüllung. Begeisternd. Vielfältig. Einfach etwas Besonderes.
Tracklist:
- Voodoo Mon Amour
- Guerilla Laments
- Kevlar Sweethearts
- How To Organize a Lynch Mob
- Black Box Messiah
- Exit Strategy of a Wrecking Ball
- Aurora
- Mass Rapture
- Honey Trap Aftermath
- Of Kali Ma Calibre
- Justice For Saint Mary
Die Rezension gibt es auch im Weblog von Inishmore zu lesen.