Auf diesen Moment haben die Fans lange gewartet: Seit 27. Mai ist die erste Live-DVD der Synthie-Pop-Ikone Depeche Mode im Handel. Anton Corbijn, der langjährige künstlerische Begleiter der Band, hat das fast zweistündige Konzert vom 10. Oktober 2001 im Palais Omnisport in Paris Bercy verfilmt; Corbijn war bereits 1994 für seinen „Devotional“-Film mit Depeche Mode für einen Grammy nominiert. Der Konzertfilm wurde aus 13 Kameraperspektiven gedreht, wobei sich das Bild in 16:9-Qualität und der Ton in 5.1 Dolby Digital präsentieren. Zusätzlich zu dem eigentlichen Konzertfilm gibt es auf einer zweiten DVD noch eine ganze Menge Bonusmaterial, darunter ein Interview mit der Band, Interviews mit den Fans, Kommentare von Anton Corbijn und vieles mehr.
Tracklist:
DVD 1 (Konzertfilm)
01. Easy Tiger/Dream On (guitar intro)
02. The Dead Of Night
03. The Sweetest Condition
04. Halo
05. Walking In My Shoes
06. Dream On
07. When The Body Speaks
08. Waiting For The Night
09. It Doesn’t Matter Two
10. Breathe
11. Freelove
12. Enjoy The Silence
13. I Feel You
14. In Your Room
15. It’s No Good
16. Personal Jesus
17. Home
18. Condemnation
19. Black Celebration
20. Never Let Me Down Again
DVD 2 (Bonusmaterial)
01. The Preparing – Dokumentationen der Show und Interviews mit Anton Corbijn und Mitgliedern der Live-Crew
02. The Photographing – Fotogalerie, kommentiert von Anton Corbijn
03. The Waiting – Interviews mit den Fans vor der Halle
04. The Talking – Interviews mit Dave Gahan, Martin Gore und Andrew Fletcher kurz vor der Show
05. The Screening – Projektionen der Show
06. Live-Bonustrack: „Sister Of Night“
07. The Choosing – „Never Let Me Down Again“ aus drei unterschiedlichen Kameraperspektiven
DVD 1:
Der Konzertfilm ist wirklich großartig geworden; man könnte meinen, man steht mit auf der Bühne. Besonders während Songs wie „Enjoy The Silence“ oder „Never Let Me Down Again“, bei denen das Publikum tobt, springt der Funke über. Ich habe die Tracklist oben ausführlich angegeben, damit man sieht, dass nicht nur Songs aus dem „Exciter“-Album gespielt werden, sondern das Konzert mehr als zur Hälfte aus älteren Songs besteht, darunter auch Kult-Songs wie „Black Celebration“. Daher könnte die DVD durchaus auch für Leute interessant sein, die das letzte Album vielleicht nicht so gut fanden, aber die Stücke vergangener Jahre mögen.
Mich stört an dem Film allerdings, dass Dave Gahan und Martin Gore dermaßen in den Vordergrund gedrängt werden, dass jemand, der Depeche Mode nicht kennt, gar nicht auf die Idee käme, dass auch Andy Fletcher zur Band gehört. Er drückt im Hintergrund seine Tasten und gerät höchstens mal „aus Versehen“ ins Bild, während man so überflüssige Personen wie die Background-Sängerinnen ausgiebig betrachten kann. Das finde ich schade, aber ansonsten ist der Konzertfilm absolut sehenswert, und auch die Leinwand-Projektionen kommen gut zur Geltung.
DVD 2:
The Preparing:
Ein sehr interessanter Beitrag, bei dem die Leute zu Wort kommen, ohne die so eine Tour nicht durchführbar wäre. Man erfährt viel über Organisation und Planung der Konzerte, und Anton Corbijn erklärt die Entwicklung seines Bühnen-Konzepts.
The Photographing:
Hier wird eine Fotogalerie aus 26 Konzertfotos gezeigt. Jedes einzelne wird von Corbijn kommentiert, z.B. wie er versucht hat, mit seinen Bildern die Emotionen einzufangen oder auch welche Schwierigkeiten das Fotografieren eines Konzertes mit sich bringt.
The Waiting:
Zeigt Interviews mit den Fans, die vor der Halle auf den Einlass warten. Dazu muss ich sagen, dass mich das Gestammel der Fans nicht im Geringsten interessiert, geschweige denn, auf welchen Körperteilen sie welche Tattoos tragen. Auch kommt hier ein Typ zu Wort, der sich für ein Dave-Gahan-Double hält und den ich völlig daneben finde. Ausserdem fehlen in diesem Kapitel die Untertitel, so dass das Ganze für Leute, die nicht fließend Englisch und Französisch sprechen, sinnlos ist.
The Talking:
Kurz vor der Show äussern sich Dave, Martin und Andy über das Konzept der Band, über Martins neue Funktion als Gitarrist, die Nervosität vor dem Auftritt usw. Besonders interessant sind die Bemerkungen über das Durchschnittsalter der Fans, den Fan-Kult, in schwarzer Kleidung zu erscheinen, und die Gedanken, die ihnen während des Konzerts durch den Kopf gehen. Dieses Interview ist für mich das spannendste Kapitel der Bonus-DVD, allerdings stört es mich erheblich, dass die Interviews im Nebenher-Laufen geführt und gefilmt wurden, was ziemlich nervös macht.
The Screening:
Man kann darüber streiten, ob dieser Teil sinnvoll ist. Gezeigt werden die Leinwand-Projektionen von „Waiting For The Night“, „It Doesn’t Matter Two“, „In Your Room“, „It’s No Good“ und „Black Celebration“. Ich finde, dass sich das nur für die Projektion von „It’s No Good“ lohnt, da hier ein Videoclip gezeigt wird, der, verglichen mit den anderen Projektionen, z.B. den Goldfischen und dem Hai, die während „In Your Room“ umeinander herumschwimmen, doch eine etwas spannendere Handlung hat. Die Projektionen sind alle sehr schön und fantasievoll und erzeugen während dem Konzert eine gewisse „Magie“. Ich finde, dass man sie nicht aus dem Konzert-Geschehen herausreißen sollte, weil damit genau diese Magie verlorengeht. Da nützt es auch nichts, dass hier zu den Projektionen der jeweils zugehörige Live-Song eingespielt wird. Übrigens soll es in diesem Kapitel ein „Easter-Egg-Special“ geben, das aber anscheinend so gut versteckt ist, dass ich es bisher nicht finden konnte.
Live-Bonustrack „Sister Of Night“:
Dieser Song wurde auf einem anderen Konzert als Alternative zu „It Doesn’t Matter Two“ gespielt. Man hat es allerdings nicht für nötig befunden, zu erwähnen, aus welchem Konzert der Track stammt.
The Choosing:
Es wird das Finale „Never Let Me Down Again“ aus drei unterschiedlichen Kameraperspektiven gezeigt. Auch hier ist es wieder Ansichtssache, ob dieser Bonustrack nötig war oder nicht. Ich meine: Nein.
Im Großen und Ganzen ist das Bonusmaterial O.K., es sind Interviews dabei, die mich sehr interessieren, aber auch Sachen, die ich langweilig oder überflüssig finde. Statt „The Waiting“ und „The Screening“ wären mir Live-Songs, die im Laufe anderer Konzerte bei Setlist-Änderungen gespielt wurden, lieber gewesen, z.B. „Somebody“ oder „World Full Of Nothing“. Die Interviews sind übrigens alle in Schwarz-Weiß gehalten; ich finde, Farbe hätte hier nicht geschadet.
Sehr gut finde ich die Menü-Führung der DVDs, die übersichtlich und einfach gestaltet ist. Es ist so unmöglich, sich im Menü zu „verirren“, wie es bei manchen anderen DVDs passieren kann.
Das Cover der DVD gefällt mir gut, es zeigt eine Szene aus „Enjoy The Silence“. Mit dem Booklett hätte man sich dagegen etwas mehr Mühe geben können, denn es ist ziemlich häßlich geworden, woran auch die edlen Silber-Töne nichts ändern. Ausserdem wurde mit Konzertfotos relativ sparsam umgegangen.
Ich habe die Doppel-DVD mit acht Punkten bewertet. Zwei Punkte Abzug gibt es für das Bonusmaterial, das mich nicht so richtig überzeugt hat. Insgesamt kann ich aber die DVD jedem Fan wärmstens empfehlen, denn der Konzertfilm ist wirklich gut. Über das Bonusmaterial muss sich jeder selbst sein Urteil bilden.