13/7 Freitag der 13.
13/7 Freitag der 13.
Von der Sonne gegrillt konnte ich es nicht länger im Zelt aushalten und stolperte mit verquollenen Augen in die dreckige provisorische Welt des Festivals hinaus. Was folgte, war ein unbändiger Schrecken. So sehr ich meine Augen rieb und versuchte wieder klar im Kopf zu werden, ich konnte nur noch verschwommen sehen. Das musste an diesem scheiß Glitzerzeug liegen. Ich versuchte schwankend meinen Blick zu fokussieren, aber es half nichts. „Sven, Verdammte Scheiße, ich bin blind!! Ich hab mich gestern blind gesoffen! Scheiße, ich bin blind!“. „Schnitzel, hast du schon versucht deine Brille aufzusetzten?“. Tatsache, ich bin ja Brillenträger, hatte ich ganz vergessen. Mein Sehgestell machte die Sache auch gleich viel besser. Trotzdem, der dicke Schädel war auch diesen Morgen vorhanden, also fackelte ich nicht lange, nahm mir eine Tablette und spülte sie mit einem Kaffee aus dem Backstage runter. Sven war bereits wieder voll in seinem Element und Triddana fotografieren gegangen, ich musste mich noch regenerieren. Zu diesem Zweck rauchte ich mit Tina, die mir erzählte, sie komme zwar von hier sei aber inzwischen Musikerin in London, eine Offensive Zigarette. Das interessante Gespräch mit ihr und – endlich – der Erwerb meiner eigenen Wertmarken ließ mich auch noch Fabulous Desaster verpassten. Dafür war die nächste Band, die auf die ich mich am meisten freute und auch zu meinem persönlichen Highlight wurde.
Tyler Leads, fünf Jungs aus Recklinghausen, waren angekündigt als Hard Rock mit Stoner Einflüssen und das bekam ich auch, und zwar richtig dicke. Vor allem aber eine riesige Menge Spielfreude. Ganz in ihrem Element fegten sie in einem Wirbelwind aus fliegenden Haaren, Drehungen mit und ohne Gitarre, Chuck Berry Gedächtniswalk und purer Euphorie so heftig über die Bühne, dass sich die beiden Gitarristen fast ummoshten. So muss Rock’n’Roll! Johnny der Sänger brachte sogar das Wunder zuwege kaputtere Stiefel als ich zu tragen. Wo an meinem rechten Stiefel die Sohle von Sicherheitsnadeln am Leder gehalten wird, schauten bei seinem linken Stiefel einfach unten die Zehen raus. Grandios geil, genau nach meinem Geschmack! „Sven! Du musst die Stiefel drauf kriegen!“ brüllte ich ihm noch zu, aber als erfahrender Fotograf hatte er die natürlich längst drauf.
Mit einem zufriedenen Grinsen ging ich nach diesem Hammer an den Bierstand, um erstmals meine Marken zu benutzen und mir dann Infected Rain zu geben. Da mir deren Core lastiger Sound nicht ganz so gut zusagte, wollte ich den Auftritt vorzeitig verlassen, doch keine Chance. Den jetzt war ich mit sabbern dran, die Sängerin hatte schon etwas hypnotisches. Ihr Shirt „Eat Pussy, not Animals“ machte mich auch noch hungrig, tatsächlich mal nicht auf Steak. Wieder zurück am Bierstand versuchte mein Nebenmann ein Bier mit Bargeld zukaufen in einem altruistischen Anflug gab ich ihm einfach eine meiner Marken. Erst ungläubig erzählte er mir, dass er am Merch Stand arbeitete und ich mir nachher einen Patch aussuchen dürfte. Das nenne ich mal Quidproquo, so kam ich zu einem schön psychedelischen Cream Patch. Über all dem durfte ich meinen Presseauftrag natürlich nicht vergessen und ging als „Nationale Sportpresse“ den Flunky Ball Platz besuchen. Tatsächlich gibt es auf dem Dong einen festen Flunky Ball Platz, überaus praktisch, da dort Sportsfreunde des ganzen Festivals aufeinander Treffen. Ein Typ namens Benny stand dabei auf einem Podest und unterhielt mit seinen Diabolo Künsten. Ich machte noch einige Vorstöße in die verschiedenen Areale des Campinggeländes, setzte mich in Gitarrenkreise in denen auf Mülltonnen und Töpfen getrommelt wurde und sah mir die bunt zusammengewürfelte Belegschaft an. Der eine Typ lief mir immer wieder über den Weg mit nichts als einem rosa Schlüpfer bekleidet, guter Mann. Auf einem kurzen Ausflug über unser Lager konnte ich sogar einen Becher voll Pfeffi für den Scardust Drummer auftreiben.
Impureza war, wie das Gerücht ging ausgefallen bzw. ersetzt worden, ohne Smartphone war das für mich nicht auszuloten. Ich begab mich pünktlich zu Motorjesus zur Bühne und lernte dort auch die Jungs von Tyler Leads persönlich kennen. Auf der Bühne hatten sie auch schon Caps und T-Shirts von Motorjesus getragen, also war das wohl kein Wunder. Ich verbrachte auch den restlichen Abend mit den Jungs. Bis auf einen kleinen Ausflug zu Eluveitie, also dem Headliner des Tages, bei denen zwar eine schön ausgelassene Stimmung herrschte, allerdings nicht so ganz meinen musikalischen Geschmack trafen. Ich lernte ich von Freddie, dem Gitarristen und Zwillingsbruder von Johnny, was das Wort Storno bedeutet (das ist so der Zustand, wenn man mit dem Kopf auf dem Tresen einschläft). Bis ich selbst Storno war, tauschte ich mit den anderen Bandmitglieder, über Bier und Offensive Zigaretten, Musik und Film Empfehlungen aus und wurde auch in einige Feinheiten der Bandpolitik eingeweiht. Nämlich das Respektschellen-System. Denkbar simpel: Wer Scheiße baut, kriegt eine Respektsschelle.