Converge – Jane Doe

Cover: Converge - Jane Doe
Cover: Converge - Jane Doe

Wie setzt man eine gescheiterte Beziehung musikalisch um? Vor allem wenn man der Liebsten immer noch nachtrauert? Sanfte Streicherarrangements, poppige Melodien, gefühlvolles Säuseln ins Mikrophon? Wohl kaum. Aufgestaute Gefühle müssen artikuliert werden. Die Agonie des eigenen Daseins hinausschreien. Verarbeitung durch Läuterung, Catharsis. Genau das zelebrieren die Bostoner Converge auf ihrem mittlerweile vierten Studioalbum namens *Jane Doe*. Leiden als Selbsttherapie und damit mal eben die Messlatte eines ganzen Genres ein gutes Stückchen höher legen. Mit welchem Genre haben wir es hier zu tun? Schwer zu sagen. Mathcore? Powerviolence? Chaoscore? Von jedem etwas vermutlich.

Aber hier geht es nicht um Schubladen sondern um Musik und die Vertonung heftiger Gefühle. Wer nach Schönklang Ausschau hält wird diese Scheibe nicht mal mit der Zange anfassen wollen. Hier wird gelitten und der Hörer leidet mit. 45:24min lang. Bereits der erste Track *Concubine* zeigt innerhalb von 1:20min sämtliche Facetten von Converge auf, die erst mal verdaut werden müssen: eine vertrackte, windschiefe, mitreißende Gitarrenmelodie gipfelt in einen infernalischen Blastbeat über dem Jacob Bannons hysterisches, psychotisches, kreissägenartiges Gekreisch thront, bevor die Zäsur mit einem tonnenschweren Moshpart folgt. Die Grenzen verschwimmen. Hier läuft gar nichts konform, beide Gitarristen frickeln verquere 4/5, 7/12 und wasweissich-Takte ohne auch nur ein einziges mal in Metalklischees abzutauchen, der Schlagzeuger ist nicht tot zu kriegen und Mr. Bannon ruiniert sich einumsanderemal die Stimmbänder. Erst beim vierten Song darf das erste mal durchgeatmet werden. *Hell to pay* fällt ungewohnt ruhig aus, ein groovendes Bassfundament, die Gitarren abermals wunderbar schief, liefern Melodiefragmente, irgendwie sehr zart und verletzlich das ganze. *cheap lips, soft eyes, lost in the most blinding lights, as cold as those first nights alone, as the second best hell to become, sleep deep girl, dream well.* Und weiter geht der Höllentrip. Die Spirale der Beklemmung dreht sich beständig.

Hier und da vereinzelte Verschnaufpausen um dann doch wieder in irrsinnige Frickelparts und durchgeknallte Chaosteile überzugehen. Spätestens bei *Phoenix in Flames* werden wohl einige Handtücher von entnervten Hörern geworfen werden. *She burns as bright as the sun, and she falls darker than night, she shines as light as these days, and she fades faster than time. Phoenix in flames.*, schreit Jacob Bannon völlig hysterisch, begleitet lediglich von einem völlig entfesselten Schlagzeug. Und man kann ihn verstehen – irgendwie. *Thaw* und das 11minütige *Jane Doe* beenden eine der intensivsten Platten die mir bisher in den CD-Player gekommen sind. Auf Converge muss man sich einlassen können. Das hier ist keine Partymucke. Das hier ist Musik zu der man sich die Pulsadern aufschneidet oder vor den nächsten Baum fährt. 45 Minuten intonierte Catharsis. Kaufen!
Und spätestens wenn die Bostoner im September mit Himsa die hiesigen Bühnen entern, können sich die Letzten überzeugen, wie grossartig diese Band wirklich ist.

Tracklist:

  1. Concubine
  2.  Fault and Fracture
  3. Distance and Meaning
  4. Hell to pay
  5. Homewrecker
  6. The broken Vow
  7. Bitter and then some
  8. Heaven in her arms
  9. Phoenix in Flight
  10. Phoenix in Flames
  11. Thaw
  12. Jane Doe
Converge: 
Jane Doe
Unsere Wertung: 100%
Jane Doe 
wurde am 4. September 2001 
über Equal Visi (Cargo Records) 
veröffentlicht.
Kaufen / Streamen(*)
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