Der Boss war zu Besuch.
Er spielte eine Telecaster und sein Name ist Bruce Springsteen.
Was sich am 10. Juni dieses Jahr in München, und wahrscheinlich nicht nur dort, abspielte, hat der Verfasser dieser bescheidenen Zeilen bis dato noch nicht erlebt.
Zu einer sehr exzentrischen und fast nicht wieder zu erkennenden Version von „Born in the USA“ betritt er die Bühne, alleine nur mit einer eigentlich 12-, dann aber doch nur 10-saitigen Gitarre (für alle, die es genau wissen wollen: die G-Saiten fehlten) und einem Bottleneck. OK, der eine oder andere Fan kennt diese Version schon von der „Live in New York“-CD, aber zunächst einmal ist man platt: Der Boss spielt orientalische Klänge.
Danach treten die anderen aus der E-Strasse auf und ab! 10 Musiker legen los und nichts ist zuviel. Nach dem 2. Song herrscht eigentlich schon Zugabenstimmung – nicht, dass wir uns schon voneinander verabschieden wollen, Gott bewahre!, aber mir war bis dahin dieses Gefühl erst zu vorgerückter Stunde gegen Ende eines Konzerts vertraut. Jedes Lied erschien wie eine Zugabe und das 3 Stunden lang.
Jemanden aus der E-Street Band hervorheben zu wollen, erscheint zwecklos, da sie alle nicht aus Bruce Springsteens Schatten hervortreten können, aber wenigstens einen eindeutigen Favoriten der Fans kann man ausmachen: Clarence Clemons, der hünenhafte Saxophonist und Percussionist, aus dessen Oberarmen wohl mal hätten Oberschenkel sollen. Bei der Bandvorstellung, die ca. eine Viertelstunde gedauert hat, fast gospelmäßig vorgetragen wurde und, wenn ich mich recht entsinne, in „Mary’s House“ von der neuen CD „The Rising“ eingebettet wurde, konnten sich die Fans nicht mehr beruhigen, als Clarence als letzter der Musiker vorgestellt wurde. Diese Vorstellung der Musiker alleine für sich genommen, war schon ein Riesenfest („I know, you wanna be like him, but sorry: there can be only one!“) und fand übrigens nach ca. 1 Stunde 40 Min. statt, also etwa in der Hälfte des Konzerts.
Kurzer Einschub: Es ist nicht nachlässig oder schludrig, die obigen Angaben so ungenau wiederzugeben, aber ich war während und nach dem Konzert einfach zu aufgedreht, habe die Zeit vergessen und das völlig ohne Drogen! Naturally stoned sozusagen – und trotzdem bin ich auf Entzug. Es hat einfach alles gepasst: der Ort (selten eine so gute Stimmung im Olympiastadion erlebt!), das Wetter, der Sound, die Show, die Fans und natürlich: Bruce Springsteen.
Bevor ich aufhöre, da mir sowieso die Mittel fehlen, zu beschreiben, was ich noch nicht einmal in gesprochener Sprache wiedergeben kann und mir der Spruch „Man muss es erlebt haben“ zu abgedroschen klingt, sei mir noch ein kurzes Wort zum Boss himself gestattet: Er hat uns das Gefühl gegeben, dass er besonders gut drauf ist, dass er sich besonders freut, hier in „Munchen“ zu sein, und das es auch für ihn etwas Besonderes sei. Und ich weiß auch, dass er das wahrscheinlich in jedem Stadion und in jeder Halle dieser Welt sagt – dennoch: wir haben das Gefühl gehabt, dass es wahr ist und dass auch wir etwas Besonderes seien. Besser kann ich es jetzt nicht ausdrücken. Also, hör auf, dich zu bedanken, Bruce – wir haben zu danken, Bruce. Und in Abwandlung eines Zitates eines Reporters über Bruce Springsteen aus dem Jahre 1972 hier mein Schlusswort:
Ich habe die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft des Rock’n’roll gesehen.
- Setlist:
10.06.2003 – Olympia Stadion, München
Born in the USA (Acoustic)
The Rising
Lonesome Day
Jackson Cage
The Ties that Bind
My Love will not let you Down
Empty Sky
You’re Missing
Waiting on a Sunny Day
You can look (But you Better not Touch)
Sherry Darling
Worlds Apart
Badlands
Out in the Street
Mary’s Place
Backstreets
Into the Fire
10 Avenue Freeze Out
Further on up the Road
Bobby Jean
Ramrod
Born to Run
7 Nights to Rock
My City of Ruins
Land of Hope and Dreams
Dancing in the Dark