Das Motto seiner ersten Solo-Platte „Bukowski-Land“ war: „Volksmusik im besten Sinne“ und dem Motto ist er auf seiner neuen Platte „Nordstadt EP“ fast treu geblieben. Das Wort „Volksmusik“ ist der Bezeichnung „harte Schlager aus dem dunklen Herzen des Ruhrgebiets“ gewichen. Es passt auch einfach besser – Volksmusik wird gleich so abwertend aufgefasst. Seine Songs sind kritisch, komisch und skurril und wie schon auf „Bukowski-Land“ widmet er sich hier auch der Schattenseite des Ruhrgebiets – und er ist mittendrin. Ob er nun vom unerreichbaren SĂźdstadt-Girl träumt oder nach einer durchzechten Nacht heimwärts zieht – vorbei an Pennern und Junkies: Trotz des offensichtlichen Elends empfindet er eine tiefe Verbundenheit mit seiner Stadt. Er hat sich integriert und singt sich seine Sorgen vom Leib.
Line-Up:
Solo:
- BORIS GOTT – Gesang, Akustik-Gitarre, Harp, Klavier, Synthie, Lesebrille
Band:
- BORIS GOTT – Gesang, Akustik-Gitarre
- DOC HARP – Harp, Keyboards, Cornett, Gesang
- MARKO SCHMIDT – Bass, Gesang
- STEFAN ZACHARIAS – E-Gitarre
- RĂDIGER STIRNBERG – Schlagzeug
Tracklist:
- Nordstadt
- Mädchen aus der Sßdstadt
- Irgendwo in DO.
- Samstag
- Panther Ray
Die „Nordstadt EP“ enthält Songs Ăźber das Leben in einem typischen, vom Strukturwandel gebeutelten Ruhrgebiets-Stadtteil: Ăźber 100 verschiedene Nationalitäten, DĂśner-Buden, Trinkhallen, Arbeitslosigkeit, das laute, harte Leben auf der StraĂe. „Ich will meinen Beitrag zur Ruhrgebietskultur dahin bringen, wo sie herkommt“ sagt er. Und das ist ihm wieder sehr gut gelungen. Die Grenze zwischen Nord- und SĂźdstadt verlaufen flieĂend, jeder kennt sie – unabhängig vom Ruhrgebiet – und ein bisschen Nordstadt sind wir immerhin alle.
In seinen neuen Songs ist sich Boris Gott auf jeden Fall treu geblieben. Das nahezu unerreichbare „Mädchen aus der SĂźdstadt“, welches mit den Zahnarztfrauen abhängt und Ferien auf einer Yacht macht, erinnert mich z.B. sehr am „Mädel of my dreams“ und der Walzer „Irgendwo in DO“ ist etwas an „Rockstar in Aserbaidschan“ angelehnt und das ist gar nicht so schlecht, denn die beiden Songs helfen prima dabei, sich wieder in den typischen Boris Gott Sound hineinzufinden, bevor es mit dem eher gemĂźtlichen Song „Samstag“ weitergeht, bei dem man sich gerne an einen Spaziergang erinnert und der textlich einige Metapher bietet. Einen groĂen Hang zur Weiterentwicklung zeigt der letzte Song „Panther Ray“, der musikalisch und textlich ausgereifter klingt und sehr ruhig daherkommt. Aber kaum hat man sich an den neueren Sound gewĂśhnt, ist die EP leider schon am Ende angekommen und ich gebe zu, dass mir das gewisse Etwas gefehlt hat. So ein Hit ĂĄ la „RTL und Rohypnol“ oder „Bukowski-Land“ hätte mir noch gefallen und vor allem hätte es meine Vorfreude auf ein komplettes Album ins Unermessliche gesteigert. Was mir aber auch hier wieder besonders gut gefällt ist der Kontrast zwischen Text und Musik. Musikalisch bewegt sich Boris Gott wie gewohnt im heiteren und Schlager-Pop ähnlichen Bereich und Textlich geht es eher bittersßà bis ironisch und teilweise sarkastisch zu. Und das schon beim Opener „Nordstadt, in dem es heisst: âHeute ist ein schĂśner Tag – Hier im Norden meiner Stadt – Junkies leuchten, MĂźtter schrei’n – Es ist schĂśn hier zu seinâ – dazu ein frĂśhlicher Pop-Kracher und alles schunkelt mit und freut sich.
Wie schon erwähnt wird man hier nicht mit neuen Ideen Ăźberrascht, aber mich stĂśrt das absolut nicht. So weiss man was man bekommt und gerade das unverwechselbare Songwriting ist sein Markenzeichen – Bands wie MotĂśrhead und AC/DC fahren auch gut mit der Strategie – wieso nicht auch Boris Gott. 9/10 Punkte gibt’s von mir und ich bin mir sicher, dass er sich mit dem kompletten Album dann den fehlenden Punkt wieder zurĂźckholt, den er hier wegen dem fehlenden Ohrwurm verloren hat.