Kein anderes Debüt wurde so herbeigesehnt wie dieser Silberling. Mir fällt auch keine andere Band ein, die in der Rock- und Metal-Szene so intensiv diskutiert und gefeiert – oder kategorisch abgelehnt wurde. Wer bisher nichts von The Devil’s Blood gehört hat, der sollte sich die Zuckerwatte aus den Ohren popeln, die Beine in die Hand nehmen und in den Plattenladen sprinten. Denn die Psychedelic-Rock-Sensation des Jahres hat soeben ihr teuflisch gutes Debüt-Album herausgebracht. Warum teuflisch? Weil The Devil’s Blood keine lieben, netten 70er-Jahre-Nostalgie-Rocker sind, auch wenn sie verdammt danach klingen.
Die EP „Come, Reap“ (2008) hat bei mir eingeschlagen wie eine Bombe. Ich kaufe viele CDs, aber kein Neuzugang bringt es jemals auf so viele Durchläufe, wie ich diesem Mini-Album schon zugemutet habe. Diese fünf Perlen sind eine Salbung für die Seele, wollen dir den Deibel mit flirrenden Gitarren austreiben und dann wieder doch nicht dem Teufel abschwören. Viel mehr gab es von der Band leider auch nicht zu hören. The Devil’s Blood haben zuvor nur eine 2-Track-Vinyl-Single namens „The Graveyard Shuffle“ (2008) herausgebracht, die schnell heillos vergriffen war. Bandchef Selim hat ein paar der Songs auf die MySpace-Seite der Band gestellt. Was dann passierte, ist ein kleines Wunder. Die Kunde von dieser Classic-Rock-Band mit Black-Metal-Attitüde ging um wie ein Lauffeuer. Die einen lieben sie als das was sie sind, die anderen halten nichts davon. Eine Grauzone gibt es nicht.
Bei The Devil’s Blood dreht sich alles um Spiritualität, Okkultismus und Satanismus. Das drückt sich in den Texten aus, in den Live-Shows, aber auch in der Lebenseinstellung der Bandmitglieder. Zum Beispiel wollen sie nicht mit Namen genannt werden, sondern entmenschlicht bleiben, von Satan besessen und die Musik für sich selbst sprechen lassen. Ihre Konzerte gelten als legendär. Sie nennen sie übrigens Rituale. Ich hoffe, bald eins ihrer Rituale live zu erleben. Ich brenne darauf! Nur eine Single, eine EP und eine aufregende Bühnenpräsenz haben diese Band zum angesagtesten Geheimtipp des Jahres gemacht, was ihnen sogar ein Feature im Spiegel einbrachte. Was wird wohl jetzt passieren? Hebt sie der Rolling Stone aufs Titelblatt und ernennt sie zu den neuen Led Zeppelin? Das Gespann Selim/Farida hat mit ihrem von Jefferson Airplane, Coven, Black Sabbath, der NWOBHM und Satan beeinflussten Sound das Zeug, uns die Ohren so richtig umzukrempeln.
Debüt-Album 2009: The Time Of No Time Evermore
Schon im Intro bekommt man einen Vorgeschmack auf das, was Gitarrist Selim drauf hat. Dann steigt die Band mit Wucht und „Evermore“ ein und man wird Zeuge der höllischen Spielfreude und frischen Songwriting-Ideen, die The Devil’s Blood so unwiderstehlich machen. „I’ll Be Your Ghost“ ist ein klassischer Rocker mit einer umwerfenden Farida und dem typisch verzerrten Gitarrensound. Mit „The Yonder Beckons“ folgt eine wunderbare, ruhige Nummer, die vom Gesang getragen wird und schließlich in einem ekstatischen Gitarrensolo kulminiert, das so unverwechselbar die Handschrift von Band-Mastermind Selim trägt, dass man den Song überall sofort als einen The-Devil’s-Blood-Track identifizieren könnte. Die Band hat für ihren Stil die Bezeichnung Horror Soul erfunden. Bei „House of 10.000 Voices“ geht es dann wieder mit Monster-Riffs zur Sache, die von einer stimmungsvollen Passage unterbrochen werden, in denen der Song neue Spannung auflädt. Dann setzen Gitarre und Gesang ein und man ist im siebten Himmel. Sorry, falsche Baustelle. Hail, Satan!
Tracklist:
- The Time Of No Time
- Evermore
- I’ll Be Your Ghost
- The Yonder Beckons
- House Of 10.000 Voices
- Christ Or Cocaine
- Queen Of My Burning Heart
- Angel’s Prayer
- Feeding The Fire With Tears And Blood
- Rake Your Nails Across The Firmament
- The Anti-Kosmik Magick
Line-up:
- S.L.
- F.
- B.
- T.
„Christ or Cocaine“ könnte man als einen typischen The-Devil’s-Blood-Song bezeichnen, der auch perfekt auf die EP gepasst hätte. Die betörende Stimme, ein zackiger Rhythmus, tolle Riffs und ein perfektes Zusammenspiel der Instrumente bringen die Bandcharakteristika auf den Punkt. Schlagzeug und Saiteninstumente scheinen an den richtigen Stellen zu einer Einheit zu verschmelzen, bis die Gitarre wieder mehr Raum bekommt und dich umbläst. Selim ist ein unglaublicher Gitarrist!
Mit dem brillanten „Queen Of My Burning Heart“ zeigen The Devil’s Blood, wie wunderschön ein kraftvolle, weibliche Stimme über einem eingängigen Refrain sein kann. Und das kommt ausgerechnet von mir, die sich die meisten Bands mit einer Sängerin nicht anhören kann. Schaurig schön klingt „Angel’s Prayer“, ein Prunkstück im Repertoir der Band. Überhaupt fällt auf, dass es keinerlei Ausfälle unter den elf Tracks zu betrauern gibt. Auch „Feeding The Fire With Tears And Blood“ und „Rake Your Nails Across The Firmament“ setzen sich sofort im Hörkanal fest, sind mit den typischen The-Devil’s-Blood-Zutaten gewürzt, aber dennoch immer eigenständig, melodisch und wunderschön. Ein Geniestreich ist schließlich „The Anti-Kosmik Magick“. Der Song war schon auf einem Demo – hier kostenlos zum Download – und auf MySpace zu hören. Nun wurde der Track noch einmal überarbeitet und auf epische zehn Minuten Länge gebracht. Ein Hammerteil!
Die Zeit scheint stehenzubleiben, wenn man sich auf The Devil’s Blood einlässt. Dieser ungewöhnlichen Band ist ein zeitloses Meisterwerk gelungen, ein kleiner Schatz in der CD-Sammlung, den man auch nach Monaten noch innig lieben wird und immer wieder auflegt. Ich traue mich und gebe die volle Punktzahl. Aber: Don’t believe the hype. Gehet hin. Höret selbst.