Ich lehne mich sicherlich nicht allzu weit aus dem Fenster mit der Behauptung, dass unserer guten alten Erde schon schlimmere Dinge zugestoßen sind als das Ende der Regierung George W.T.F? Bush. Allerdings nahm Al Jourgensen, seines Zeichens einer der Urväter des Industrial Metal, eben dies zum Anlass, auch mit seiner Band Ministry in den Ruhestand zu gehen. Was zugegebenermaßen Sinn macht, denn einerseits hat sich seine Truppe länger gehalten und war beliebter als die beiden Bushs in ihren Amtszeiten zusammen. Andererseits waren Ministry immer dann am stärksten, wenn Cowboys im Weißen Haus das Sagen hatten – und Protestsongs wie „Hey Obama, you promised to get our troops out of Iraq by spring 2010 and now it will be four months later, that really pisses me off“ würden sich dagegen doch ziemlich …nun ja.. ungriffig anhören. Bevor aber endgültig der Schlussvorhang fiel, packte Al seine Lieben zusammen und ging auf große Abschiedstour, deren Zeugnis das vorliegende Live-Album Adios… Putas Madres ist.
Line-Up:
- Al Jourgensen – vox/guitars
- Tommy Victor – guitar
- Tony Campos – bass
- Sin Quirin – guitar
- John Bechdel – keyboards
- Aaron Rossi – drums
Tracklist:
- Lets Go
- Watch Yourself
- Life Is Good
- The Dick Song
- The Last Sucker
- No W
- Waiting
- Worthless
- Wrong
- Rio Grande Blood
- Senor Peligro
- Lieslieslies
- Khyber Pass
Einmal mit den Augen über die Tracklist gewandert, fällt dem eingefleischten Ministry-Fan sofort auf – da fehlt was. Fragen wir mal in die Runde der Betroffenen:
„Yeeha, it’s missing Jesus Built My Hotrod. Jesus find‘ ich eh cool und den Text hatte ich als Ersatzmanuskript während meiner Reden immer in Reichweite – für den Fall, dass der Teleprompter mal ausfallen sollte. So there was only one thing that I could do and that was to ding a ding dang my dang a long ling long. Ding ding donga dong dong ding dong. Hehe.“ (George W. B.)
„What the heck? Wo ist N.W.O? Ich war so stolz, mit meinem Sprachsample die Charts und die Herzen der amerikanischen Jugend erobert zu haben!“ (George B. sen.)
„Just One Fix. Hatte ich als offizielle Kampagnenhymne für meine Kandidatur 2008 in Auftrag gegeben. War schon im Tonstudio, um das „More“ zwischen „One“ und „Fix“ einzusingen. Aber wenigstens ist ja der Dick Song drauf“ (Dick Ch.)
„Ass Clown vom feinen Rio Grande Blood-Album. Ass und Clown, so lauteten ja bekanntlich die Codenamen des FBI für Dick und George. Das war‘n noch Zeiten“ (Condoleezza R.)
„Vorab: ein toller Name für sicher sehr gottesfürchtige junge Musikanten. Ich kenne zwar nur das Lied über Psalm 69, das hat mich aber wirklich beeindruckt. Ich mag eben die alten Gassenhauer. Da fällt mir ein: den Titel könnte ich auch mal ganz anhören und nicht immer nur den Anfang. ..“ (Papst B. XVI)
Es stimmt. Die Playlist rekrutiert sich aus den Alben „Houses Of The Molé“, „Rio Grande Blood“ und „The Last Sucker“. So sehr es mir gerade der Kracher „Rio“ auch angetan hat, so schmerzlich vermisse ich die oben erwähnten Bandklassiker, die zwar auf der Sphinctour Live CD aus dem Jahr 2002 enthalten sind, aber eigentlich auf einem finalen musikalischen Rundumschlag nicht fehlen dürften. Gerne hätte ich auch ein paar Stücke von dem sehr gelungenen Coversong-Projekt Cover Up gehört.
Über die Qualität der Songs und der Produktion brauchen wir nicht zu diskutieren. Genauso könnte man Eulen nach Athen tragen oder den Jungens von Rammstein Just One Fix vorspielen und fragen, wer sie wohl auf die kirre Idee gebracht hat, ihre Gitarren runterzustimmen und zu verzerren. Denn es ist offensichtlich, dass Perfektionist Jourgensen seine Band, sein Equipment und seine Stimme so im Griff hat, dass die 13 Tracks live sauber und druckvoll rüberkommen. Mir hat das Anhören jedenfalls so viel Spaß gemacht, dass ich wieder Lust bekommen habe, mich mit den drei auf der CD repräsentierten Alben zu beschäftigen.
Da die einzelnen Songs aus verschiedenen Konzerten in den USA, Serbien, Polen, Deutschland, Tschechien und der Slowakei stammen, beschränkt sich die Interaktion zwischen Künstler und Publikum leider maximal auf das Ansagen der Titel. Interessanter könnte in der Hinsicht die Live-DVD des gleichen Namens werden, die umfangreiches Bonusmaterial enthalten und am 22. Mai erscheinen soll.
Fazit:
Die Höchstwertung kann ich wegen der angesprochenen Punkte nicht ziehen. Die bleibt wohl eher der Live-DVD vorbehalten. Wer sich einen Überblick über die letzten 5 Jahre des Schaffens von Ministry in Form eines exzellent eingespielten Live-Sets verschaffen will, darf bedenkenlos zuschlagen und wird erstklassig bedient. Wer anders als ich die Klassiker nicht vermissen sollte, darf beruhigt noch einen Stern extra aufmalen.