Mittwoch. Seitdem ich um 7.00 Uhr aufgestanden bin, habe ich ein euphorisches Grinsen im Gesicht. Heute ist der Tag auf den ich sehr lange gewartet habe. Heute spielt die beste Band der Welt in MEINER Stadt. 3 gutaussehende ältere Herren, ein Schlagzeug, eine Gitarre und ein Bass. Und eine Menge komischer und sexistische Texte.
Um kurz nach Nachmittag fahre ich zu Toby. Der beschwert sich, dass ich mal wieder unpünktlich bin. So bin ich eben. Unser größtes Problem besteht darin, dass wir einfach nicht wissen welchen Fotoapparat wir mitnehmen. Wir nehmen Tobys Schrott-Digi-Cam* mit. Weil meine Analog- und/oder Digicam zu groß sind. Eine halbe Stunde später sind wir in der Innenstadt. Wir stellen unsere Räder irgendwo hin, da kommt mir auch schon einige angetrunkene Person entgegen. Wiebke, Anja und noch wer, deren Namen ich im Laufe des Abends mindestens zehnmal gesagt bekomme, aber ich ihn mir einfach nicht merken kann. Oder nicht merken will. Ich sehe diese Person ja sowieso nicht wieder.
* Anmerkung: Nicht Schrott im Sinne von billig sondern im Sinne von „nicht lichtempfindlich genug“.Wir laufen zum Zollhaus. Dort stehen vorwiegend halbalkoholisierte Jugendliche und alkoholisierte Punks. Ich werde wieder einigen Menschen vorgestellt. Ich vergesse wieder die Namen. Egal. Uns wird gesagt wir sollen uns doch bitte in die Reihe vor dem Eingang stellen. Machen wir doch gerne. Toby bleibt immer stumm hinter mir, ich komme mir etwas blöd vor, das legt sich aber nach ein bisschen Bier. Ich stelle fest das die meisten Menschen gerade mal 10 Lieder von der besten Band der Welt kennen. Und ich dachte ich wäre ein Keine-Songs-Kenn-Arschloch. Aber dazu kommen wir später noch genauer.
Wiebke erzählt mir, dass Frida nicht mal Bela B. kennt. Wie kann sie nur! Ketzerin! Toby unterhält sich in der Zwischenzeit mit einem Jemand aus meiner Klasse und sonst noch so Leuten, die ich auch irgendwoher kenne. 45 Minuten nachdem eigentlich Einlasstermin wurden wir doch noch reingelassen, oder eher reingequetscht. Endlich drinnen. Spontan wie wir sind kaufen Wiebke und ich uns ein „Sweet Gwendoline“-Shirt. Auf dem etwas feuchten Boden des Zollhauses schlagen wir unser Lager auf und warten..30 Uhr, ich erinnere mich gerade an eine super Unterhaltung mit meiner Mutter.
– „Wann ist das Konzert zu Ende?“;
– „Keine Ahnung.“;
– „Irgendwas musst du doch wissen!“;
– „Nö!“;
– „Och, so um 10 bestimmt, oder nich?“;
– „Ähm, ja, äh…..?!!?“;
Gelogen.
Endlich, nachdem es die Jugendlichen auch geschafft haben sich vollkommen zu betrinken, sind beide Parteien – Punks und Jugendliche – zu einer untrennbaren Masse geworden, sie rufen alle 3 Minuten „Wir wollen die Ärzte sehen!“; oder sie singen „Super 3“. Ich will weiter nach vorne, jemand, dessen Namen ich wieder vergessen habe, aber zu Wiebke gehört, will auch mit. Aber ich will nicht ohne Anja. Also bleiben wir in der Mitte. Lights off. Nudo Tra I Cannibali on Stage. Intro. Keiner spricht. Also keiner der Band. Sie spielen einfach nur. Fans schreien. Wo ist Anja? Da. Sie ist grade mitten in einer heftigen Punkekstase. Ich werde durch die Gegend geschleudert. Ist eigentlich gut, denn durch dieses Prinzip stehe ich 6 Lieder später 2 Meter vor Farin Urlaub. Bela sehe ich nur kurz, als er mal Gitarre spielt. Und Rod tauscht ab und zu den Platz mit Farin. Es ist warm, eng aber nett. Ist ja schließlich die beste Band der Welt.
Die Stimmung steigt, sinkt aber mal auf den absoluten Nullpunkt. Rod guckt nervös zu Bela, als nach einem Stück niemand klatscht. Farin versucht verzweifelt noch irgendwas zu retten. Die von Bela vorher versprochenen 250% Rock kamen zwar von der Band, aber das Publikum gab nur 80%. Zu allem Überfluss werden Farin noch 2 Jacken ins Gesicht geschmissen, er guckt mit einer Mischung aus „ICH-TÖTE-DICH“ und „Wag es nie wieder“ auf den/die Werfer/in. Rod ist da schon günstiger dran. Er bekommt einen BH geschenkt. Farin findet diesen so schön, Belas Kommentar: „Ja, der is auch schön, den das Auge fickt ja schließlich mit!“ Irgendwann stand Bela auf, schlenderte mit einem breiten Grinsen zu Farin, packte ihn an den Hintern und blieb dann so stehen. Farin: „Hey, Bela, ick kann so net spieln, wenn deine Hand an meeneem Arsch-is“
Ich versuche mitzusingen. Geht irgendwie nicht. Entweder kenne ich die Lieder nicht oder ein Jemand in der Band setzt so lustige Worte wie „Lambada“ ein. Der Jemand der Band spielt Gitarre, hat neuerdings schwarze Haare und ich habe das Gefühl das er mich auslacht, als ich im Text mal nicht weiter weis. Irgendwann, muss um kurz vor halb Mitternacht sein, ist Ende. Ich torkele nach draußen. Ich schwitze, ich habe durst, aber ich bin glücklich. Anja? Anja! Toby? Ne. Einfach nur Anja hinterher. T-Shirt-Stand. Ah! Toby! Nach draußen. Wir laufen zum Bahnhof, da liegen unsere Klamotten im Schließfach. Also nur die Jacken. Den Rest haben wir noch an. Irgendwie schade. Im Grossen und Ganzen kann ich sagen, das man doch schon bekanntere Stücke vermisst hat und auch die Stimmung nicht wirklich aufkam.