Kaum haben wir Silvester 2002 hinter uns gebracht, da steht schon das nächste Feuerwerk bevor – allerdings diesmal in tonaler
Form. Eine der erfolgreichsten deutschen RockGuano Apess, die Guano Apes, werfen uns einen echten Monster-Böller vor die Füße: WALKING ON A THIN LINE! Dieses Album wird das Bild dieser Guano Apes ändern, ohne dass wir die charakteristischen Wesensmerkmale vermissen werden. Ein künstlerischer Spagat, bei dem sich das Quartett von einer musikalischen Reife zeigt, die vom „Kindergarten“ (so die Eigendefinition) in dieser Form nicht erwartet werden konnte. Rock statt Crossover, sinnlicher Stil statt krasser Krach. „Wir müssen niemandem mehr beweisen, dass wir freakig sind“, ist Sängerin Sandra Nasic überzeugt. „Das haben wir auf den ersten beiden Alben hinreichend gezeigt. Natürlich gibt es auch jetzt noch diese lärmige Seite, aber das ist eben nicht alles, was diese Guano Apes zu bieten hat. Man wird reifer, man wird erwachsener – auch musikalisch.“ Und als ob die Songs sie unterstützen wollen, erschallen grundsolide Rock-Rhythmen aus den Boxen, die sehr viel fokussierter, minimalistischer und straighter wirken als das, was man von den beiden bisherigen Alben PROUD LIKE A GOD (1997) und DON´T GIVE ME NAMES (2000) kannte und den Musikern gerade hinsichtlich der Arrangements und Sandras Vocals neue Türen öffnet. Das abwechlungsreiche `Kiss The awn´ oder das wunderschöne `Quietly´ – alles ist stimmig und zeigt ein völlig neues Songwriting-Verständnis. „Wir wollten nicht mehr überall Breaks einbauen, sondern songdienlich schreiben“, erklärt die Frontfrau. „Ich habe überhaupt keine Probleme mit dem Begriff „Pop“. Auch `Rain´ (anno 1997 die zweite Singleauskoppelung überhaupt) gehörte schon in diesen Bereich. Ich höre auf WALKING ON A THIN LINE krasse Balladen im Midtempobereich, die aber trotzdem alle Gefühlsrichtungen abdecken. Wir passten eben noch nie in irgendeine Schublade…“
Das war bereits zu Beginn ihrer Karriere so. Der Gewinn des höchstdotierten deutschen Nachwuchswettbewerbes „Local Heroes“ 1996 und die damit verbundene Chance der ersten professionellen Studioproduktion katapultierte Sandra Nasic, Bassist Stefan Ude, Gitarrist Henning Rümenapp und Schlagzeuger Dennis Poschwatta schnurstracks in die Höhen der Charts – nicht zuletzt dank des sensationellen Erfolges ihres Crossover-Krachers `Open Your Eyes´. Ihr Debüt PROUD LIKE A GOD (1997) ist immer noch das bestverkaufte englischsprachige Debüt einer deutschen RockGuano Apes aller Zeiten! Es hagelte europaweit Gold- und Platinauszeichnungen, der „Echo“ folgte, bevor sich die Musiker allmählich Gedanken über die zweite Studio-CD machten. Bereits der recht düstere Beitrag zum Soundtrack „Meschugge“, `Don´t Turn Your Back On Me´, zeigte, dass die Guano Apes sehr wohl gewillt war, künftig andere Klangfarben zu erschaffen, anstatt sich selber zu kopieren. Das zweite Album DON´T GIVE ME NAMES (2000) bestätigte dies und beinhaltete ein musikalisch breiteres Spektrum zwischen Crossover, Balladen, Funk und Punk. Pessimistische Kritiker, die den Senkrechtstartern einen abrupten Absturz progonstizierten, mussten sich postwendend eines Besseren belehren lassen. Das Alphaville-Cover `Big In Japan´ beherrschte wieder mal die Clubs, `No Speech´ rotierte auf den Videokanälen und bescherte den Guano Apes bei den MTV European Music Awards 2000 die Auszeichnung als „Best German Act“, DON’T GIVE ME NAMES schoss auf Platz 1 der deutschen Charts. Zudem tourte die Guano Apes im Vorprogramm von P.O.D. und Creed erstmalig durch Amerika und durfte sich dabei über ausgezeichnete Zuschauerresonanzen freuen. Gerade, als man sich hierzulande ein wenig vom Guano Apes-Fieber erholen wollte, gaben sie dem Begriff „Crossover“ eine völlig neue Bedeutung: Zusammen mit Comedy-Star Michael Mittermeier coverten sie `Kumba Yo´ und schossen mit dieser skurrilen Metal-Gospel-Nummer an die Spitze der Single-Charts. „Bei uns ist anscheinend immer alles möglich“, lacht Sandra Nasic und verspricht, dass auch das dritte Album die Hörer überraschen wird. „Man darf nicht vergessen, dass wir immer noch sehr, sehr jung sind“, bekräftigt die charismatische Sängerin. „Aber diesmal hatte ich das erste mal das Gefühl, dass alle Guano Apesmitglieder ahnten, was im Studio auf sie zukommt und dementsprechend selbstbewusster auftraten. Wir wussten, was wir wollten!“
Nach einer kurzen, selbstverordneten Schaffenspause begannen pünktlich zum Start des Jahres 2002 die Arbeiten zum neuen Album WALKING ON A THIN LINE (einer Textzeile aus dem Song `Kiss The Dawn´ entnommen). Anstatt sich wie beim Vorgänger in der Abgeschiedenheit Dänemarks zu verschanzen, genügte diesmal der heimische Probenraum zur kreativen Entfaltung. „Es lief eigentlich sehr zügig ab“, resümiert Sandra zufrieden. „Da diesmal die Songs in einem relativ kurzen Zeitraum entstanden, besitzen sie stilistisch einen „roten Faden“ und wirken so sehr kompakt.“ Dies lässt sich nur bestätigen. Von Guano Apesintimus Fabio Trentini im Area 51-Studio von Celle aufgenommen, liefern die Guano Apes das musikalisch reifste Werk ihrer bisherigen Karriere ab. Schon die Single `You Can´t Stop Me´ zeigt, dass sich das Quartett nicht mit dem Erreichten zufrieden gibt, sondern sich auf dem neuen Album selbst herausfordern wollte. „Unsere Ansprüche sind definitiv gestiegen“, bekräftigt Sandra. „Deswegen haben wir auch einige Songs im Herbst im Hamburger Home Studio teilweise neu überarbeitet, obwohl sie im Grunde schon als abgeschlossen galten. Wir wollten einfach das Optimale herausholen!“ Diese „wachsende, professionellere Grundhaltung“ wirkte sich auch auf ihre Texte aus. „Ich kann heute sehr viel sensibler mit dem jeweiligen Thema umgehen und auch mal über Liebe singen. Bei `You Can´t Stop Me´ geht es beispielsweise um den Kampf gegen sich selbst und den eigenen Pessimismus, gegen den man sich jeden Tag zur Wehr setzen muss.“ Ein solcher ist bei WALKING ON A THIN LINE allerdings völlig fehl am Platze. Das Album wird die Guano Apes endgültig von allen stilistischen Fesseln befreien und den Weg in die große weite Welt des Rock öffnen. Bei Musiker-Kollegen sind die Göttinger jetzt schon gern gesehene Gäste. Sandra unterstützte mit ihrem äußerst variablen Stimmspektrum schon so unterschiedliche Künstler wie Apocalyptica und DJ Tomekk, Henning Rümenapp übernahm bei den aktuellen Grönemeyer-Album bei zwei Songs den Gitarrenpart. Ein Zeichen, dass die Guano Apes noch lange nicht alle kreativen Optionen ausgereizt hat. Gerade hinsichtlich der Arrangements bei Songs von `Kiss The Dawn´ oder `Quietly´ überraschen die Guano Apes mit ungeahnter Sensibilität , ohne dabei ihre alten Fans und deren Vorliebe für derbe Gitarren zu vergessen – siehe und höre `Diokhan´. „Bei Live-Konzerten kicken diese Crossover- und unk-Sachen immer noch am meisten“, weiß Sandra. „Aber wir lieben die Abwechslung. Ich glaube, dass wir jetzt eine richtig gute Mischung von Songs haben, die uns alle Möglichkeiten geben, emotionale Höhen und Tiefen zu kreieren.“ WALKING ON A THIN LINE gehört künstlerisch definitiv zu den Höhen – und da gehört ein Feuerwerk schließlich ja auch hin!
CDs von Guano Apes könnt ihr bei Amazon.de oder JPC.de bestellen:
Proud Like A God, released Okt 1997 | Amazon | JPC |
Don’t Give Me Names, released Mai 2000 | Amazon | JPC |
Walking On A Thin Line, released Feb 2003 | Amazon | JPC |
Offizielle Site: http://www.guanoapes.org
Quelle Biografie: Matthias Weckmann, http://www.guanoapes.org