Schweden wird Europameister! Wer sich zu dieser Prognose hinreißen lässt, erntet mit Sicherheit Gelächter in der Fußballerrunde. Ist es doch allgemein bekannt, dass die Dreikronen spätestens im Anschluss an das erste Ausscheidungsspiel nach Hause fahren, wo schon pünktlich das Elchgeschnetzelte wartet. Das war nicht immer so. Beginnend vor 312 Jahren hießen die Gegner Dänemark, Polen, Sachsen, Preußen, Norwegen und Russland, es ging weniger um einen goldenen Pokal, sondern eher um die Vorherrschaft rundum das baltische Meer. Geschossen wurde zwar auch, jedoch hauptsächlich auf gegnerische Soldaten und erheblich seltener auf Tore. Letzten Endes sollte König Karl XII., auch genannt Carolus Rex, an den bärenstarken Russen scheitern. Vor denen man sich ja heute noch in Acht nehmen muss, die spielen alle in ihrer Liga, keiner bekommt mit, wie gut sie wirklich sind und wenn wir gegen die im Viertelfinale der EURO ausscheiden sollten, rege ich mich königlich auf. Aber ich schweife ab…
Sabaton widmen also dem schwedischen Reich in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges und dem aus der Wittelsbacher Linie stammenden König ein komplettes Album und zeichnen in den Liedern sein Leben und Wirken nach, bis hin zu seinem bis heute unaufgeklärten Tod durch eine Musketenkugel in das werte Herrscherhaupt. Bandchef und Hauptsongschreiber Joakim Brodén hat sich dafür eine komplett neue Mannschaft zusammengestellt und nach dem Intro herrschte bei mir zunächst mal Irritation. Denn „Lion from the North“ hört sich nach den ersten Takten frappierend nach dem Opener und Titeltrack des letzten Albums „Coat of Arms“ an. Joakim, der alte Schlingel! Klaut einfach bei sich selbst. Das hat mich trotz des feinen Gitarrensolos am Ende schon etwas enttäuscht, weshalb ich das Album erst mal beiseite legen musste.
Aber ich kann Entwarnung geben, danach drehen die nach dem mittelalterlichen Eisenschuh der Ritterrüstung benannten Burschen nämlich richtig gut auf. Mögen der olle Karl und seine Armee am Ende auch verloren haben, schmissige Schlachthymnen hatten sie! Das fängt mit dem folkig angehauchten „Gott Mit Uns“ an (inklusive einem Gastauftritt von Peter „PAIN“ Tägtgren) und hört danach auch erst recht nicht mehr auf. Bei „A Lifetime of War“ etwa wird an der ganz großen Pathos-Schraube gedreht, „The Carolean’s Prayer“ stimmt mit Orgelklängen ein und lässt in der Folge die Chöre losmarschieren. Wer dann immer noch nicht episch voll ausgelastet ist, justiert bei „Carolus Rex“ die Lautstärke gen Maximum, poliert den Heldenbariton und verkündet seinem Umfeld „I was chosen by heaven / Say my name when you pray / To the sky! / See Carolus rise!“. Ideal zum Selbstbewusstseinsaufbau, da spart man sich die Kosten für den Motivationstrainer.
Für das flotte Galoppieren auf dem Schlachtfeld gibt es natürlich auch die passende musikalische Begleitung: „1648“ hört sich zwar leicht wie schon mal gehört an, aber das ist in dem Moment des tönenden Getümmels auch egal. „Killing Ground“ setzt auf melodiöse Gitarren im Doppelpack, „Poltava“ spielt die bandeigenen Stärken aus schrubbenden Gitarren, Keyboards, Chor und knurrigen Vocals aus. Zum Schluss noch der obligatorische „Der König ist tot, lang lebe der König“-Trauermarsch, ehe mit dem schwedisch eingesungenen „Ruina Imperii“ endgültig der Deckel zugemacht wird. A propos Schwedisch: wem die Texte zu martialisch und kriegerisch in den Ohren klingen, der kauft sich einfach die Limited Edition mit Bonus CD, auf der das komplette Album in der Heimatsprache der Band enthalten ist. Das hört sich stellenweise mehr lustig als kämpferisch an und bietet mit „Twilight of The Thundergod“ obendrauf ein sauber hymnisch eingespieltes Cover aus dem Repertoire der Wikinger von Amon Amarth.
Fazit: Zusammen mit „The Art of War“ das beste und ausgereifteste Werk der Schlachtgesangesfreunde aus Falun. Episch, königlich, reinhauend. Auch wenn er in seinem Grab in der Ritterholmskirche zu Stockholm schon lange nichts mehr mitkriegt: Hoch lebe der Karl!
Diese Rezension gibt es auch bei Inishmore zu lesen.