Für klangvolle Expermiente jeder Art ist die britische Band Radiohead seit ihren letzten Veröffentlichungen mehr als bekannt. Experimentierfreudig haben sie in der Musik frische Impulse gesetzt und neu geborene Stilproben salonfähig gemacht. Allein deshalb kann man im Vorfeld nicht davon ausgehen mit „Hail to the Thief“ ein Album vorgesetzt zu bekommen, dass eine simple Antwort auf die Vorgänger ist.
- Band:
- Colin Greenwood – Bass
- Jonny Greenwood – Gitarre
- Ed O’Brien – Gitarre, Vocals
- Phil Selway – Drums
- Thom Yorke – Vocals, Gitarre
Tracklist
- 2 + 2 = 5
- Sit Down. Stand Up.
- Sail To The Moon
- Backdrifts
- Go To Sleep
- Where I End And You Begin
- We Suck Young Blood
- The Gloaming
- There There
- I Will
- A Punch-Up at a Wedding
- Myxamatosis
- Scatterbrain
- A Wolf At The Door
Radiohead hatten vier Jahre nach Bandgründung ihren großen Druchbruch mit dem Album „Pablo Honey“ – für die Nachfolger „Ok Computer“ und „Kid A“ gab es 1997 und 2000 Grammy-Awards für die Briten. Seither haben sie sich zu einer der bekanntesten und meistgelobten Bands ihres Genres und des ganzen Erdballs gemeistert. Sie bestechen nicht nur durch musikalische, sondern auch durch lyrische Experimente, und selten hat man jemanden mit Musik beeindruckendere Bildgeschichten erzählen hören.
Im Vorfeld wurde viel über die „Inhaltstoffe“ des neuen Albums diskutiert und irgendwie findet doch jede Meinung ihren Weg zu „Hail to the thiefs“.
Schon die Produktion unterschied sich grundlegend von „Kid A“ – wo man etwa alle sechs Wochen einen Song produziert hatte – bei „Hail to the tiefs“ wurde alles intensiver – man setzte sich mehr mit den Songs auseinander und entwickelte sie langwierig, bevor dann letztlich täglich einer davon aufgenommen wurde. Die Band hatte sich und die Songs vor ihrem Abflug nach L.A. – wo die Platte produziert wurde – mehrere Wochen auf die Aufnahmen vorbereiten können.
Frei nach Orwell startet das Album mit „2+2=5“ verzweifelt, zynisch und dabei eigentlich ziemlich unruhig – nicht unkonzentriert, aber eine innere Unruhe, die sich auch beim Hörer schnell bemerkbar macht, bevor man sich auf den Gitarrenrocksound zurück besinnt. Das sollte auch nicht die erste Zweideutigkeit geblieben sein – der Titel von „We Suck Young Blood“ wurde durch Brecht inspiriert und handelt von Sex als Währung, wie sie überall und nicht zuletzt auch in Hollywood Gang und Gebe ist. Das Bedürfnis, etwas anderes zu sein und sich dabei ganz und gar zu verschenken. Zu einer Marionette zu werden, die man benutzt und in die Ecke wirft, sobald sie ihren Zweck erfüllt hat. Das kommt nicht nur im Prostituierten- und Stricher Millieu vor, sondern vor allem im Musikbiz, dem Fernsehen, Politik und in extremen Gruppierungen. Are you hungry? / Are you sick? / Are you begging for a break? / Are you sweet? / Are you fresh? / Are you strung up by the wrists? / We want the young blood.
Obwohl das Album „Hail to the Thiefs“ heißt, trägt der eigentliche Titelsong einen anderen Namen: „The Gloaming“ setzte sich letztlich als Untertitel durch und ist ein rhythmisches Stück von Jonny und Colin Greenwood. Das zentrale Thema ist eine alles überschattende Dunkelheit, die sich, wie einst Seuchen oder andere Katastrophen, über die Menschen gelegt hat.
„Stand Up – Sit Down“ zieht den Hörer noch weiter ins Zentrum der Finsternis hinein – step into the jaws of hell – und formt ein Bild der Vergänglichkeit und der Apokalypse.
Dennoch zeichnet sich das vorliegende Werk nicht nur durch seine düsteren Momente aus – „Street Spirit“, „Pyramid Song“ oder „Sail to the Moon“ sind verträumte und weitgreifende Stücke, mit denen man die gesamte Grundstimmung des Albums von der negativen wieder auf die postive Seite umpolt. Denn trotz der vielen düsteren und negativen Stücke unterliegt das Werk als Gesamtheit einer eher optimistischen Seite. Eine weitere Doppeldeutigkeit scheint hinter „Myxamatosis“ versteckt, denn die Myxomatose ist eine Art Kaninchenpest … – der beatgeprägte Song ist wie eine Irrfahrt durch Radioheads musikalisches Universum, in dem einzig die Lead Vocals ein ständiger Begleiter sind.
Zum Schluss kommt noch ein Song mit dem Titel „A Wolf At The Door“ von dem Thom sagt: “ So nah wie da, war ich noch nie an einem Nervenzusammenbruch. Es handelt von Angst – echter oder eingebildeter Gefahr – und es ist absolut stimmig“ – und paranoid: Drag him out your window / Dragging out your dead / Singing I miss you / Snakes and ladders / Flip the lid.
Fazit: Sollte es Zweifel gegeben haben, so sind sie spätestens jetzt Schnee von gestern. Das neue Album von Radiohead behauptet sich, wie viele seiner Vorgänger, als musikalisches Erste-Klasse-Werk.