„Cryptex“ – den Namen habe ich doch schon irgendwo mal gehört. Richtig! Er taucht in der Novelle „Der Da Vinci Code“ auf und setzt sich aus cryptology und codex zusammen. Das Gerät diente dazu, geheime Nachrichten zu verschlüsseln. Die Renaissance zieht sich auch wie ein roter Faden durch das aktuelle Album der drei Jungs aus Salzgitter/Hannover, welches auf den Namen „Good Morning, How Did You Live?“ hört und heute, am 25.03.2011 erscheint. Als erstes fällt das wirklich aussergewöhnliche Coverartwork auf: Ein wenig Renaissance, ein wenig Folk und eine Prise Steampunk. Man merkt, dass Simon, Ramón und Martin sehr viel Kreativität und vor allem Arbeit in ihr Debüt gesteckt haben und ein Werk unters Volk bringen wollen, das sich von so manchem 0815-Schund deutlich abhebt. Bei dem Musikstil hat man sich für die Bezeichnung „Progressive-Folk-Rock“ entschieden – eine Mischung aus Gitarrenriffs, ungewöhnlichen Instrumenten (Didgeridoo, Sansula) und dem eher hellen, aber dennoch kräftigen Gesang von Simon, der vor allem mit seinem blonden Lockenkopf auffällt. Und nicht nur bei der Gestaltung des Albums und beim Songwriting hat die Band sich richtig Mühe gegeben, um sich von der Masse abzuheben. Auf ihrer Facebook Seite teilt man die Freude über die Fertigstellung der selbst gebastelten Promo-Mappen mit den Fans und lässt sie an ihrem Bandleben teilhaben. Die Jungs sind sympathisch und ungewöhnlich zugleich. Aber nun zur Musik: Moderner Progrock wechselt sich mit folkigen Woodstock-Tönen ab, die nur so nach Freiheit riechen. Orientalische Instrumente runden das Ganze gekonnt ab und ich merke schon, dass mir beim Beschreiben der Songs wirklich die Worte fehlen. Von Ragtime, Blues, Gospel, Prog-Art, brachialen und wütenden Kompositionen bis hin zu balladesken, poppigen und moderneren Stücken wird man hier alles finden. Sänger Simon steuert einen angenehmen Gesang bei und verschont den Hörer mit stimmlichen Experimenten, die am Ende warscheinlich nur schief gehen und nerven würden. Ab und an hält er den Höhen nicht ganz stand, aber das tut dem ganzen keinen Abbruch und ich bin ehrlichgesagt sehr froh, wenn ein Prog-Rock Sänger mal nicht allen zeigen will, was für ein toller Hecht er am Mikro ist. Simon bleibt von vorne bis hinten ehrlich – ohne Schnörkel.
Line-Up:
- Simon Moskon – Vocals, Bass, Piano, Keyboard, Bluesharp, Didgeridoo
- Ramón Fleig – Drums, Percussion, Cajón, Background Vocals
- Martin Linke – Lead and Rhythm Guitar, Sansula, Background Vocals
Tracklist:
- Intro
- Hicksville, habitus and itchy feet
- Dance on the strange folk
- Freeride
- Bagheera
- It’s mine
- Gypsy’s lullaby
- Camden Town
- Leviathan
- The big easy
- Mom
- Alois
- Most lovable monster
- Grief and despair
- A colour called gently
- Outro
Fazit: Crossover der ganz besonderen Art. Kein Gerappe, kein Schlagzeuggedresche und keine wuchtigen Gitarren – hier werden die eher harmonischen und exotischen Rocktöne angeschlagen. Und auch wenn der typische Ohrwurm bisher bei mir ausgeblieben ist, ist „Good Morning, How Did You Live?“ ein wirklich schönes Stück Musik, bei der man merkt, wieviel Herzblut die Band reingesteckt hat. Gibt es heute sehr selten – genau wie solch auffallende Bandfotos im Coverartwork. Bleibt zu hoffen, dass der Nachfolger dann nicht schwächelt, weil man die Messlatte mit dem Debütalbum schon so hoch gelegt hat. Einfach wirds nicht, aber bis dahin ist ja noch etwas Zeit und wir können so lange die aktuelle Scheibe hören.
Anspieltipps: Dance on the strange folk, Bagheera, Leviathan, Gypsy’s lullaby