Wenn Bela B., Schlagzeuger, Sänger und Songwriter bei den Die Ärzte, an die Sechziger Jahre denkt, fällt ihm als Erstes nicht Liverpool, sondern Las Vegas ein. Denn dort kam er im MGM Grand Hotel und Casino als Dirk Felsenheimer zur Welt. Nach einem blutentleerenden Erlebnis mit dem ersten Dracula-Darsteller des Tonfilms dem großen Bela Lugosi erlaubte ihm dieser, den Namen Bela auch fortan in Ehren und Respekt zu tragen. Der weitere Verlauf seiner Karriere ist dem Musikenthusiasten größtenteils geläufig.
Doch selbst heute, fast ein Vierteljahrhundert nach Gründung der Besten Band der Welt, schwärmt Bela B. noch immer von der glamourösen Düsternis seiner Geburtstätte, die ihn davor bewahrte, Polizist zu werden, und die sich nun wie ein roter Faden durch sein erstes Solo-Album zieht, das am 12. Mai 2006 erschien.
Die Idee dazu hatte er bereits vor ein paar Jahren, als er mit dem Gitarristen von Marianne Rosenberg, Odin Awesome Olsenstolz Involtini, dem ebenfalls ausgezeichnet Gitarre spielenden Engländer Wayne Fish & Chips Jackson und der zauberhaft schüchternen Sängerin Lula den Song „Justified & Ancient“ für einen KLF-Tribute-Sampler aufnahm.
Nach mehr als gründlicher Abwägung der Vor- und Nachteile entschloss er sich im Herbst 2005, die Arbeit an seinem Solo-Album – mit ebendiesem Team – aufzunehmen.
Die teils allein, teils fast allein getexteten und komponierten Songs wurden in liebevoller Kleinstarbeit zu Band gebracht (und dann digitalisiert). Zuerst die Schlagzeug-Parts, dann, nach einer Pause, die Gitarren, und später, nach einer erneuten Pause, der Gesang, dann noch mal Gitarren und Schlagzeug und Gitarren, Geigen, Bass (Ex-Mad Sin-Stand-up-Psycho-Bass Holly H.), Orgeln, Geigen und so weiter, bis alles fertig war.
Sein Produzententeam lernte ihn schnell als den Humanboss kennen und lieben und wurde nicht müde, um seine Aufmerksamkeit zu buhlen. Sie sollten dies natürlich nicht umsonst tun: In einem Mitarbeiter des Tages-Rahmen rotierten die Porträts der anwesenden Protagonisten, die Bela auf diese Art angemessen und gerecht belohnte. Im Studio herrschte eine entsprechend kreative Energie, die für einige Besonderheiten auf dem Album verantwortlich ist. So wurde beispielsweise für das Schlagzeug eigens ein Mikrofonierer aus dem Mutterland des Schlagzeugsounds, Schweden, hinzugezogen, der die ausschließlich dem Anfang des vorigen Jahrhunderts entstammenden Schlagzeugkessel adäquat abnahm. Selbstverständlich schwang kein anderer als der Künstler selbst die Schlagprügel. Und sogar an die Gitarrensaiten ließ er kaum einen anderen als sich selbst & und Olsen und Wayne und bei zwei Songs den fabelhaften Gary Schmalzl. Für die kongenial arrangierten Streicher wurde, wie schon beim Schlagzeugsound, ein Skandinavier, der Italiener Davidé Rossi, um Unterstützung gebeten.
Und für das Duett „Lee Hazlewood und das erste Lied des Tages“ stieg die 76-jährige Legende höchstpersönlich in ein Flugzeug und legte die Strecke Las Vegas – Berlin – Las Vegas zurück, um einen unvergesslich tiefen Eindruck zu hinterlassen. Bela verehrte Hazlewood, bei dem einst Phil Spector in die Schule ging, bereits, als Punk noch ein Four-Letter-Word war.
Doch dies ist nicht das einzige Duett auf dem Album. Den extrem tanzbaren GoGo-Beat-Song „1. 2. 3. …“ singt er zusammen mit Charlotte Roche, deren Viva-Sendung „Fast Forward“ er einst als Schwangerschaftsvertretung moderiert hatte.
Entstanden ist ein sehr persönliches Album, das die musikalischen Leidenschaften des Bela B. in gekonnter Weise auf einen Nenner bringt, bei dem er mutig sein Innerstes nach außen kehrte, alles wieder aufwischte und den triefenden Beutel schließlich stolz zu BPX1992, der von Fitz Braum extra für ihn gegründeten Plattenfirma, trug.(Quelle: BPX 1992)