Das Summer Breeze 2010 hat am Wochenende mit perfektem Sommerwetter 30.000 Besucher – wenn man den Gerüchten Glauben schenken darf – ins bayrische Dinkelsbühl gelockt. Die Stimmung war durchweg fantastisch. Das mag am Sonnenschein, der frischen Landluft oder am spektakulär süffigen Haller Löwenbräu gelegen haben, aber sicherlich hatten die Partylaune der Besucher und die entspannte Art der Crew auch ihren Anteil daran. Selten habe ich mich auf einem Festival so wohl gefühlt.
Der Sound war auf allen Bühnen prima und die Pausen zwischen den Gigs auf den beiden nebeneinander liegenden Hauptbühnen minimal. Die Zeit konnte man sich auch bestens an etlichen Fressbuden und natürlich der Händlermeile vertreiben, die gut sortierte Metal-Utensilien vom Trinkhorn über T-Shirts und CDs bis zu Raritäten bereit hielt.
Die Organisation des Festivals lief absolut professionell ab: von der Anreise über die Techniker bis zur Security lief alles organisiert, durchdacht und eingespielt ab. Die Wartezeit bei der Anreise mit dem Auto war zu verschmerzen – von einer Stunde war die Rede – und der Schienenersatzverkehr für die Bahnfahrer dank ausführlichem Info-PDF auch kein Problem.
Die Sauerei auf dem Konzertgelände und Zeltplatz sah nach kurzer Zeit allerdings gewaltig aus. Hier könnte man vielleicht mit einem deftigen Müllpfand wie auf anderen Festivals für Abhilfe sorgen. Wer öfter da war, dem fiel auf, dass diesmal besonders viel Jungvolk anwesend war. Nichts gegen junge Metaller, aber dennoch ergibt sich ein zweiter Kritikpunkt: Die Bandauswahl beim Summer Breeze hatte 2010 eine starke Schlagseite in Richtung Death Metal und Folk/Pagan/Piraten/Party-Bands, was natürlich erklärt, dass sich auch das Publikum anders zusammensetzt. Die ganz großen Headliner fehlten für meinen Geschmack auch. Und viele coole Acts wurden unnötig spät im Nachtprogramm verbraten. Erwähnt seien hier vor allem The Devil’s Blood, Ahab, Count Raven, Orphaned Land und Long Distance Calling.
Tag 1: Donnerstag, 19. August 2010
Am Mittwoch gab es ja bereits ein Vorprogramm, wo unter anderem Rage, Equilibrium und Unleashed auf der Party Stage loslegen durften. Danach kämpften sechs Newcomer um den New Blood Award, der nun also am Donnerstag verliehen werden sollte. Nach einer kurzen Zeremonie dürfen die Gewinner – Bleeding Red – das Summer Breeze 2010 mit thrashigem Death Metal auf der Pain Stage eröffnen, was sie auch gar nicht schlecht machen. Barren Earth haben dann die Aufgabe, die Hauptbühne einzuweihen. Eine etwas schwermütige Wahl für einen sonnigen Nachmittag. Bei Dream Evil kommt das Festival zum ersten Mal in Schwung. Die Songs zünden, die bekannten Titel werden bereits ordentlich mitgeschmettert. Die Texte bedienen sich großzügig bei der Themenwelt von Dio und anderen Drachentötern. So dürfte es gern weitergehen.
Napalm Death legen nun die Main Stage in Schutt und Asche. Die ersten Circle Pits sind auch zu bewundern. Die totale Agressionsentladung auf der Bühne sorgt dafür, dass es bis weit nach hinten auf dem Acker voll wird. Die klaren Ansagen gegen Nazis und Religion werden ebenfalls begrüßt. „Nazis, nein danke“, sagt Mark Greenway in perfektem Deutsch, und das Summer Breeze stimmt johlend zu. Ill Nino sorgen dafür, dass die Security ein paar erste Kraftübungen machen kann: ein paar Crowdsurfer schießen aus dem Publikum. Der groovende Stilmix aus Metal und lateinamerikanischen Rhythmen mit zweitem Drummer und sehr aktiven Musikern auf der Bühne schlägt auf das Publikum über.
Da wollen sich Parkway Drive nicht lumpen lassen und sorgen trotz Jetlag für Bombenstimmung. Die Jungs sind grad erst aus den USA eingeflogen. Ihre Posen und Kluft lassen zwar Hip-Hop-Crossover-Gedöhns befürchten, die bösartigen Riffs ihres Metalcore sprechen aber eine andere Sprache. Die hübsch anzusehenden The 69 Eyes wirken dagegen wie eine gestandene Hair-Metal-Band, doch spielen sie natürlich flotten, abwechslungsreichen Düster-Rock. Die Gothic-Rock-’n-Roll-Mixtur wird auch hinten noch von einigen Fans begeistert mitgesungen.
Die Apokalyptischen Reiter sind als nächste dran. Vor der Hauptbühne ist es schon rappelvoll, während nebenan noch die 69 Eyes zocken. Schade eigentlich. Mich spricht’s nicht so an, ich verkrümel mich lieber ins Partyzelt. Tracedawn spielen als nächste auf der Party Stage. Die recht jungen Finnen haben sich innerhalb eines Jahres völlig verwandelt. Die gesamte Band springt und post jetzt auf der Bühne herum. Voriges Jahr auf dem Rock Hard Festival war das Bewegungspensum noch sehr sparsam. Spieltechnisch waren Tracedawn aber auch da schon fit. Ihr melodischer, technisch anspruchsvoller Death Metal kratzt immer mal an der Grenze zum Prog mit diversen Breaks und vertrackten, aber sehr eingängigen Songstrukturen. Ein echtes Highlight! Und gleich noch zwei finnische Bands dürfen auf der Party Stage ran: Insomnium und Swallow The Sun. Erstere ist wiederum im Melodic Death beheimatet, Swallow The Sun bieten dagegen sehr stimmungsvollen Doom mit Death- und leichtem Metalcore-Einschlag. Ein fantastischer Dreierpack.
In den Umbaupausen zocken am Donnerstag Abend Johnny and The Hot Rods auf der Camel Stage frische Rockabilliy-Nummern, und auch eine sehr coole Country-Version von „Holy Diver“ ist dabei. Das ist aber auch die einzige Band auf der Kippenmarkenbühne, die bei mir hängen bleibt.
Jetzt wird’s auf der Party Stage wieder spannend. Triptykon um Ex-Celtic-Frostbeule Tom Warrior werden von einigen Die-Hard-Fans heftig bejubelt. Weiter hinten stehen vorwiegend bedächtig wippende Ölgötzen, denen die Intensität des doomigen Black Metal wohl die Sinne benebelt. Yes! Nun kommen Macabre, und sie kommen gewaltig. Die Band macht ihrem Namen alle Ehre und verbreitet im Nu gute Stimmung. Die Musik pendelt zwischen Thrash mit Death-Growls und wildem Punk-Flair. Der Knüller sind aber erst die Texte, in denen es um echte Serienkiller und ihre blutigen Taten geht. Die makabren Geschichten und natürlich die erläuternden Ansagen machen richtig Spaß.
Die Dunkelheimer Endstille kommen beim Publikum gut an, gehen mir aber mit ihrem Evil-Getue schnell auf den Keks. Und zwei Typen mit hässlicher Kriegsbemalung und einer ohne geht gar nicht! Auch das ewig gleiche Gekeife regt bei mir Fluchtinstinkte. Necrophagist bemühen sich redlich, Stimmung ins Zelt zu bringen, aber der Funke will nicht so recht überspringen. Der monotone Grunzgesang und das im Dauerstakkato hämmernde Schlagzeug können nicht so recht überzeugen. Mit der Zeit erarbeitet sich die Band aber dennoch ein applaudierendes Publikum.
Kurz vor Zapfenstreich gibt’s Psychedelic Rock mit okkulten Texten: The Devil’s Blood spielen hypnotischen, teuflisch guten Rock. Das Publikum scheint auch neugierig auf die Band zu sein, und neben mir taucht prompt Fanboy Götz auf. Doch wie schon beim diesjährigen Rock Hard Festival leert sich der Raum vor der Bühne nach kurzer Zeit wieder. Bei The Devil’s Blood tut sich eben wenig auf der Bühne, eher im Kopf und im Herzen. Entweder, dich hat’s gepackt oder es funktioniert einfach nicht. Die wieder mal sehr in die Länge gezogenen Stücke helfen da wenig. Vor der Bühne jedenfalls blickt man in selige Gesichter. Einige wippen in Trance mit geschlossenen Augen mit. Ein paar ganz beinharte Fans haben sich sogar wie Selim, Farida und Co. mit Kunstblut übergossen – sehr schick! Für mich ist für heute erst mal Schluss.