Ein Konzert der ganz an deren Art, boten die Mitglieder der Mittelalter-Rock Band „In Extremo“ am 22.12.2009 ihren Fans. Die Konzerte der Tranquilo Tour wurden von den sieben Vagabunden als Akustik Auftritt dargeboten und dementsprechend außergewöhnlich waren die Veranstaltungsorte. So fand zum Beispiel das Bochumer Konzert in der dortigen Christuskirche statt und das Kölner Konzert im Theater vom Tanzbrunnen. Ebenso absurd kam es mir vor, als ich meine Konzertkarten kaufen wollte… wie oft kauft man schon Sitzplatzkarten für In Extremo? Eine schwere Vorstellung, wahrscheinlich nicht nur für mich, während des Auftritts auf seinen vier Buchstaben ruhig sitzen zu bleiben.
Doch ich sollte eines besseren belehrt werden. Das Theater war schon seit Wochen ausverkauft und ich fand es schon beruhigend zu wissen, einen guten Platz zu haben, den mir niemand mehr nehmen konnte. Also stolzierte ich seelenruhig zum Merchandise Stand, um mir ein Tourshirt zu sichern. Doch leider muss ich bemängeln, dass es keinerlei Shirts der Tranquillio Tour mehr gab. Schade drum! Die wurden bereits in den anderen Städte an den Mann (und an die Frau) gebracht.
Nachdem ich mir ausreichend Zeit genommen hatte, die Bühne und das Equipment der Band zu begutachten, nahm ich vor deren Wohnzimmer Platz. Mit Couch, kleinem Tisch, Nachtischlämpchen und diverser Deko, machte sich direkt eine ganz besondere Atmosphäre breit. Pünktlich um 20 Uhr betrat dann auch endlich die Band die Bühne und es bot sich ein erneut ungewohntes Bild. Die Bandmitglieder trugen nicht ihre üblichen Kostüme, sondern hatten sich mit Hawaii Hemd oder Anzug herausgeputzt. Geduldig warteten sie auf die letzten Nachzügler und versuchten ihnen noch bei der Platzsuche zu helfen. Als es dann endlich losgehen konnte und Sänger Micha die Kölner Fans begrüßt hatte, machte er direkt darauf aufmerksam, was dem treuen In Extremo Fan längst aufgefallen war: Schlagzeuger Reiner, besser bekannt als Der Morgenstern, saß nicht an seinem gewohnten Platz. Ein Unbekannter, der uns von Micha als Herr Otto vorgestellt wurde, hatte diesen eingenommen. Grund dafür sei eine Erkrankung. Doch um es vorweg zu nehmen: Herr Otto hat trotz betont kurzer Vorbereitungszeit einen sehr guten Job gemacht!
Mit den „Merseburger Zaubersprüchen I“ startete das Konzert und ich war doch angenehm überrascht. Die gewohnten, rockigen Klänge, waren zu einem fast schon sanften, gemütlichen und melodischen Klag verschmolzen. Vielleicht war es auch gerade diese insgesamt ungewohnte Atmosphäre im Tanzbrunnen, die Schuld an der Zurückhaltung der Kölner war. Es gab Phasen der Ruhe zwischen den Stücken, die fast schon beängstigend waren und während derer man die berühmte Stecknadel bestimmt gehört hätte. Erst beim sechsten Lied „Singapur“ schien das Eis ein wenig zu schmelzen, was sicherlich auch an Michas amüsierenden Einlagen zwischen den einzelnen Liedern lag. Der Sänger hatte sichtlich große Freude an dem Auftritt, was schon alleine ein schöner Anblick war. Man fühlte sich, bedingt durch die gesamte Atmosphäre im Saal, der Band wesentlich näher als bei herkömmlichen Konzerten, was wohl auch an der immer wieder kehrenden Kontaktaufnahme zu den Fans lag. So durfte ein glücklicher Herr ganz spontan auf die Bühne, neben Micha auf dem Sofa Platz nehmen, um ein Erinnerungsfoto zu erhalten.
Schon nach drei Liedern faszinierte mich wieder die Fähigkeit der Bandmitglieder, Instrumente zu beherrschen. Dr. Pymonte alias André bringt man in erster Linie mit seiner Harfe in Verbindung, doch andere mittelalterliche Instrumente wie Marktsackpfeife, Schalmei und Hackbrett weiß er ebenso gut zu spielen, ebenso wie die Querflöte und ein sonderbares Instrument, das sich Wurstfagott nennt. Dies ist ein Holzblasinstrument aus der Renaissance und Dr. Pymonte äußerte sich mit einem Satz dazu: „Wir haben 10 Jahre versucht darauf zu rauchen“, womit ich das Erscheinungsbild wohl nicht näher erläutern muss. Die mittelalterlichen Instrumente sind fester Bestandteil der Band. Ebenso wie die Dudelsäcke, die von Yellow Pfeiffer (Boris) und Flex der Biegsame (Marco) immer zum besten gegeben werden.
Die „Nymphenzeit“, ein für Köln geschriebenes Lied, brachte, wie sollte es auch anders sein, endlich ein wenig mehr Schwung in die Hütte. Doch leider ließen sich die Fans das ein wenig spät einfallen. Gerade warm geworden, durften sie in die Lobby und sich in einer Pause mit Getränken erfrischen, falls das überhaupt nötig war.
Nach der Pause machten die Kölner wieder einen sehr unpünktlichen Eindruck und Dr. Pymonte zog verzweifelt wartend den Saiten seiner Harfe, während der späte Rest sich auf den Weg zu seinen Plätzen befand. Als er anfing, sein Gezupfe zu der eigentlichen Melodie zu ordnen, fing die Menge auch schon an zu singen. „Vollmond“ ist schon nach den ersten Tönen unverkennbar und die Fans stimmen immer den Refrain an, bevor Micha anfängt zu singen. Jetzt war der Bann endgültig gebrochen und bis auf ein paar wenige (Ausnahmen gibt es ja schließlich immer) sangen, klatschten und grölten nun endlich alle mit! Ich hatte mir schon Sorgen um das Kölner Volk gemacht! Die Pause haben Gitarrist Van Lange, Herr Otto und Micha zum umziehen genutzt, beziehungsweise ausziehen… oder vielleicht hat Micha auch einfach vergessen, seine Schuhe wieder anzuziehen?!? ;O) Die Zeit verging nun wie um Flug und nach acht weiteren Liedern, unter denen auch eine Vielzahl vom aktuellen Album „Sängerkrieg“ stammen, kündigte sich auch schon das Ende an. Mit Standing Ovation holten die grölenden Fans sehr schnell Van Lange und das letzte Einhorn, Micha, zurück auf die Bühne um im Duett „Mein rasend Herz“ zum besten zu geben, wobei Micha sogar unter Beweis stellte, dass er die Mundharmonika spielen kann. Nach zwei weiteren Zugaben kam der endgültig letzte Titel, der jeden dazu brachte, sich von seinem Stuhl zu erheben und noch ein letztes Mal aus voller Kehle mit zu singen. „Küss mich“ war ein gelungener Abschied von einem gelungen Abend.
Mein Fazit: Es war ein sehr gelungenes Konzert mit einer netten Band. Besonders toll war neben der Wohnzimmer Atmosphäre, dass die Sieben sämtliche Lieder nicht einfach akustisch dargeboten haben, sondern das sie alle auch neu interpretiert wurden. Es war interessant zu hören, was man aus den bekannten Stücken noch alles heraus holen kann. Ich würde auf jeden Fall wieder ein Akustik Konzert besuchen. Meine anfängliche Skepsis konnte ich getrost begraben. Dennoch muss ich gestehen, dass ich die normalen In Extremo Konzerte bevorzuge. Ich mag es halt gerne, bei einem Konzert zu hüpfen und mit vollem Körpereinsatz meiner Energie freien Lauf zu lassen. Doch so etwas ruhiges und besinnliches, passt doch auch gut in die Vorweihnachtszeit.
Da die Technik nicht so wollte, wie sie sollte, haben wir diesen Beitrag mit einigen von bommels Fotos vom In Extremo Auftritt auf Wacken 2009 aufgelockert.