Opulente Arrangements und große Melodien sind ein Markenzeichen von Sylvan. Mit „Force of Gravity“ haben die Prog/Art-Rocker inzwischen ihr siebtes Album eingespielt. Die Hamburger Band, die gern mit epischen Geschichten und Konzeptalben experimentiert, packt auf ihr neuestes Album „Force of Gravity“ ein paar richtige Ohrwürmer und wunderschöne Balladen, ohne ihre progressiven Wurzeln ganz abzustreifen. Die Songs erinnern zwar gelegentlich noch an 70er-Jahre-Prog, sind aber immer häufiger gewürzt mit neueren Sound-Zutaten, ein wenig Britpop und Power-Metal-Pomp. Besonders die ausdrucksstarke Stimme von Marco Glühmann sticht heraus und setzt immer wieder Akzente. Sylvan gehen unter die Haut, aber nur selten in die Beine.
Gleich im Titelsong darf Sänger Marco Glühmann seine Visitenkarte abgeben. „Force of Gravity“ ist eine wunderschöne Ballade, die so verletzlich und melancholisch klingt, als hätten Muse beim Songwriting ihre Finger im Spiel gehabt. In „Follow Me“ schaltet die Band schnurstracks auf flotten Prog-Rock um, rudert aber gleich wieder mit „Isle Of Me“ und „Embedded“ in balladeske Gefilde zurück. Spätestens hier klingen Sylvan ein bisschen wie Coldplay oder Death Cab For Cutie. Dieser Eindruck stellt sich beim Hören von „Force Of Gravity“ noch häufiger ein: Melancholische Grundstimmung, getragener Gesang, E-Piano-Sounds und eine ansonsten zurückhaltende Band mit leichten Prog-Einsprengseln erinnern eher an die sanften Songs der Indie-Rocker als an alte Prog-Veteranen.
Tracklist:
- Force Of Gravity
- Follow Me
- Isle In Me
- Embedded
- Turn Of The Tide
- From The Silence
- Midnight Sun
- King Porn
- Episode 609
- God Of Rubbish
- Vapour Trail
Line-up:
- Marco Glühmann – Gesang
- Matthias Harder – Schlagzeug
- Sebastian Harnack – Bass
- Jan Petersen – Gitarre
- Volker Söhl – Keyboard
Die Gitarre in „Turn Of The Tide“ klingt erst etwas schwerer, der Song pendelt sich aber wieder im einlullenden Rock-Pop-Kosmos ein. „Midnight Sun“ ist ein Duett mit einer weiblichen Gastsängerin, das an Großtaten von Kate Bush gemahnt. Bei „King Porn“ fühlt man sich dagegen an die späten Queensryche erinnert. Und endlich bekommt auch die Gitarre richtig zur Geltung. Meist geben bei Sylvan die Keyboards den Ton an. „God Of Rubbish“ zieht das Tempo wieder an und könnte genauso auch auf dem aktuellen Pearl-Jam-Album stehen. Den Schlusspunkt setzt das auf epische 14:30 Minuten angelegte „Vapour Trail“, eine echte Sylvan-Symphonie, die alle Trademarks der Band vereint – traumhafte Melodien, ein verspieltes Piano und ab und an wütende Gitarrenausbrüche.
Trotz der emotionalen Achterbahn und der häufig zurückgenommenen Instrumente, die dem erstklassigen Gesang den gebührenden Raum lassen, driftet „Force Of Gravity“ eigentlich nie in pathetische Gefühlsduselei ab. Trotzdem: Die einfühlsamen Balladen machen einen zu großen Teil dieses Album aus und nutzen sich trotz aller Pracht ab. Mit ein wenig mehr Tempo und einem höheren Härtegrad bei einigen Stücken wäre „Force Of Gravity“ abwechslungsreicher ausgefallen. So gehen die meisten der elf Songs voll in den wunderbaren Melodien auf. Das ist kein Nachteil. Dennoch sind gerade das mitreißende Prog-Feuerwerk „Follow Me“ und das rotzigflotte „God Of Rubbish“ willkommene Kontrastpunkte und Highlights des Albums.