Nach der Veröffentlichung der Single “Wir werden sehen” am 17.07.2009, folgt nun am 31.07.2009 der Release des kompletten Longplayers mit dem Namen “Lasso”. Schon jetzt stellen sich viele die Frage, was wohl hinter dem Namen “Lasso” stecken mag. Die altbekannte Cowboy-Fangschlaufe? Jemanden einfangen? Sind die beiden Künstler Inga Humpe und Tommi Eckart nun auf Country-Sound umgestiegen? Ich kann Euch beruhigen – dem ist nicht so. Die Bedeutung des Albumnamens ist erstmal überhaupt nicht wichtig. 2raumwohnung haben die Entspanntheit wirklich weiser Menschen und die Nonchalance, welche Kindlichkeit in Style verwandelt. Ihre Musik zeigt deutlich, dass sie sich verändern und sich dabei selbst treu bleiben. So haben sie mit „Lasso“ ein aufregendes Independent-Album geschaffen, dessen Sound noch urbaner geworden ist und teilweise bis in die 70er Jahre zurückreicht – nur futuristischer im Sound. Wieso die 70er? „Das waren für uns die ersten Erfahrungen mit Musik. Eine unheimlich faszinierende Zeit, musikalisch sehr frei und wild“ sagt Tommi Eckart. Und daran klammern sich die beiden auch.
Tracklist:
- Der Letzte Abend Auf Der Welt
- Überall Rein
- Und Ich Dreh
- Wir Werden Sehen
- Body Is Boss
- Was Ist Das
- Rette Mich Später
- Lasso
- Alles Aus
- Vielleicht Im Nächsten Leben
- Mosaik
- Wenn Du Bei Mir Liegst
- Angel Of Germany
Der musikalische rote Faden ist die Gitarre, die sich durch die Musik zieht, begleitet von Pop-Klängen, einem treibenden Beat und einer harmonischen, eingängigen Melodie. Die bezaubernde und unverkennbare Stimme von Inga Humpe klingt frischer denn je und besitzt einen sehr hohen Wiedererkennungswert – genau wie die ihrer Schwester Annette Humpe. Was hatte ich geschrieben? Mit Country haben 2raumwohnung nichts zu tun? Habe ich mich geirrt? Der erste Song „der Letzte Abend Auf Der Welt“ beginnt jedenfalls mit Mundharmonika-Klängen und geht dann in einen Samba-ähnlichen Rhythmus über mit Bläsern, Gitarre und Percussions. Von Country aber keine Spur mehr. Groovig geht es auch bei „Überall Rein“ zu, wobei hier die Gesangsstimme die Führung übernimmt. Der Refrain kommt sogar sehr rockig und punkig rüber, da die elektronischen Elemente immer mehr in den Hintergrund gedrängt werden. „Und Ich Dreh“ beginnt mit Streichern und geht in einen sehr tanzbaren Rhythmus mit Latin-Flair über. Und danach kommt er endlich – der Ohrwurm „Wir Werden Sehen“, der immernoch unangefochten mein Lieblingssong ist. Die Melodie geht einem so schnell nicht mehr aus dem Kopf – wippt mit, tanzt, singt mit – egal..aber macht was! „Body Is Boss“ lässt uns noch keine Chance, ein wenig abzukühlen und zur Ruhe zu kommen. Hier wummern die Bässe und die elektrischen Klangelemente werden voll aufgedreht und schon schallt der nächste tanzbare Song aus den Boxen. Dass der Name 2raumwohnung für Vielseitigkeit und Abwechslung steht beweist der Nachfolger „Was Ist Das“, dessen Klarinettenklang ein wenig an Ravels „Bolero“ erinnert und der die erste Ballade auf dem Album ist. Die sanfte und lyrische Stimme von Inga singt schon fast beruhigend auf uns ein und vermittelt eine gewisse Melancholie, die zum Nachdenken anregt. Auch sehr schön ist der Track „Rette Mich Später“, der sehr Gitarren-lastig gehalten ist und einen locker leichten Deutschrock-Flair versprüht. Für den tanzbaren Part sind auch hier wieder dezent eingesetzte Beats und Streicher zuständig. Der nächste Anwärter auf eine weitere Singleauskopplung – falls es eine geben sollte. Der Titeltrack „Lasso“ wird dominiert durch funkige Bässe und Disco-Rhythmen. Bei „Alles Aus“ kommen nun auch die Voodoo-Trommeln zur Geltung. Der Refrain wird aber sehr einfach und ohne große Klänge gehalten, damit die Message rüberkommt und nicht im Getrommel untergeht. Schluss mit Melancholie: Bei „Vielleicht Im Nächsten Leben“ kommt sehr orientalisch und esotherisch angehaucht rüber – passend zum Thema Wiedergeburt. Erst ruhen wir uns aus und im nächsten Leben lassen wir keinen Tag und keine Nacht aus. Bei „Wenn Du Bei Mir Liegst“ kommt sogar ein Vibraphon zum Einsatz und auch die Klarinette ist zu hören. Der Gesangspart schien allerdings erst unsingbar, aber nach dem Besuch eines Leonard Cohen Konzerts kam die Inspiration und Inga erfand den Gesang komplett neu. Sehr lyrisch, gefühlvoll und melancholisch verträumt – nur getragen von dem Vibraphon, der Klarinette, Keyboardklängen, Bass und Percussions. Und schon sind wir beim letzten Song angekommen, der aber wirklich der Sonderbarste auf dem Album ist. Man mag sich unter dem Titel „Angel Of Germany“ einiges vorstellen, aber ich hätte nie gedacht, dass „2raumwohnung“ meine wirrste Idee wirklich umgesetzt haben: Zithermusik wie man sie von der Almhütte kennt mit elektronischen Elementen – eine ganz eigene Art von Provokation. Denn hier streift das Duo musikalisch gesehen ein wenig die Volksmusik-Sparte und erzählt von einer Sängerin, die es nach Amerika verschlagen hat und als Stripperin arbeitet. Dort erzählt sie den Gästen, dass sie der „Angel Of Germany“ sei.
Ein typisches 2raumwohnung Album: Die erste Singleauskopplung ist ein Hit, auf dem Album sind auf jeden fall noch potentielle Anwärter für weitere Auskopplungen und der Rest der Songs überraschen mit den verschiedenen zusätzlichen Klangelementen und Instrumenten. Eins haben aber alle Songs gemeinsam: Sie sind tanzbar. Es ist zwar unangebracht, bei den Balladen wie wild durch die Gegend zu hüpfen, aber zumindest sanft mitwippen ist erlaubt und stört nicht beim Zuhören und Nachdenken. Vorsicht! Wenn Ihr einmal vom „Lasso“ eingefangen wurdet, dann kommt Ihr so schnell nicht mehr frei – und hiermit habe ich nun meine ganz persönliche Bedeutung für den Albumtitel entdeckt. 9/10 Punkte.